Süddeutsche Zeitung

Buchungstricks bei Starbucks:Erfolgreich Kaffee vermarkten, kreativ Steuern sparen

Mehr als 150 Starbucks-Shops gibt es mittlerweile in Deutschland. Die Produkte sind bei den Kunden beliebt. Der Fiskus hat allerdings nichts von den guten Geschäften. Die Grünen werfen der US-Kaffeekette vor, den deutschen Finanzbehörden bis zu drei Millionen Euro im Jahr vorzuenthalten.

Von Malte Conradi

Damals war die Ankunft der Amerikaner ein großes Thema. Globalisierungsgegner, Zeitgeistkritiker und Gourmets waren sich nie ganz einig, wie schlimm sie es finden sollten, dass die US-Kaffeehauskette Starbucks im Frühsommer 2002 die ersten Filialen in Deutschland eröffnete. Die Kunden jedoch waren angetan: In jeder größeren Stadt machten Starbucks-Cafés auf, das grüne Logo mit der Sirene gehörte bald zum Stadtbild und die Schlangen vor den Kassen erreichten eine Länge, die nicht so recht passen wollte zu Starbucks Premium-Anspruch und den einhergehenden Preisen.

Kurz, der Markteintritt war ein großer Erfolg, inzwischen gibt es 158 Starbucks-Cafés hierzulande. Wie es scheint, hatte einer gar allerdings nichts davon: Der deutsche Fiskus. Nach Informationen der Grünen im bayerischen Landtag und des Europaabgeordneten Sven Giegold nämlich verdiente Starbucks mit seinem Deutschland-Geschäft nie Geld. Kein Gewinn, keine Steuern, so einfach ist das.

Aber natürlich ist das nicht die ganze Wahrheit. Die Tricks, mit denen multinationale Konzerne wie Starbucks, Apple, Google oder Ikea es vermeiden, Gewinne, die sie in den Hochsteuerländern Europas erwirtschaften, auch dort zu versteuern, sind inzwischen bekannt. Zuletzt versprachen die Finanzminister der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer beim G20-Treffen, dagegen vorzugehen.

Gewinne verschieben, bis auf dem Papier nichts mehr übrig bleibt

Giegold und seine bayerischen Parteifreunde haben nun untersucht, wie Starbucks Deutschland dabei im Einzelnen vorgeht und was das für den Fiskus bedeutet. Demzufolge verschiebt das Unternehmen seine deutschen Gewinne so lange ins Ausland, bis auf dem Papier nichts mehr übrig bleibt. 2011 stand bei einem Umsatz von 117 Millionen Euro unter dem Strich sogar ein Verlust von 5,3 Millionen.

Zustande kam das dicke Minus offenbar durch zwei Buchungstricks: Zum einen zahlte Starbucks Deutschland gut sieben Millionen Euro Lizenzgebühren an eine Muttergesellschaft in den Niederlanden. Mit dem Geld sollen die Nutzung der Marke Starbucks sowie die Konzernsteuerung abgegolten werden. Hinzu kommen Zinszahlungen für Kredite der Schweizer Mutter. Zum anderen soll Starbucks Deutschland einen Aufschlag von 20 Prozent auf Kaffee-Lieferungen von einer Schweizer Schwestergesellschaft gezahlt haben.

Würde Starbucks seine Gewinne hingegen dort bilanzieren, wo sie anfallen, hätte das Unternehmen laut den Grünen in den vergangenen Jahren hierzulande jeweils zwischen fünf und zehn Millionen Euro Profit gemacht. Bei üblicher Veranlagung würde das in Deutschland eine jährliche Steuerzahlung von 1,5 bis drei Millionen Euro bedeuten. Das ist nicht nur viel Geld, das in deutschen Kassen fehlt. Laut Giegold bedeutet es auch eine Benachteiligung kleinerer Konkurrenten, die höhere Ausgaben haben, weil sie ihre Gewinne nicht um den Globus schicken können.

Grüne sehen widerrechtliche Steueroptimierung

Auf die Berechnungen der Grünen angesprochen, teilte Starbucks der SZ mit, es handele sich um "Missverständnisse". Und: "In den vergangenen drei Jahren haben wir Steuern in Höhe von insgesamt mehr als 19 Millionen Euro bezahlt, unter anderem für Sozialversicherung und Unternehmenssteuer." Wie hoch daran der Anteil der auf legalem Wege nicht zu umgehenden Sozialversicherungsbeiträge ist, konnte eine Sprecherin nicht sagen. Dafür dies: Die Steuerbehörden profitierte durchaus von den Starbucks-Geschäften: Durch die Mehrwertsteuer.

Eine andere übliche Antwort von in Steuerdingen kritisierten Konzernen lautet: Wir können unseren Aktionären nicht zumuten, mehr Steuern zu bezahlen, als nötig. Tatsächlich sind solche Operationen völlig legal - es stellt sich also die Frage, ob die Schuld nicht bei der Politik liegt, die solche Praktiken zulässt. "Natürlich ist Druck auf einzelne Unternehmen keine Lösung", sagt Sven Giegold. "Aber die Debatte über plakative Fälle kann eine politische Regelung befördern." Die allerdings ist nicht einfach zu erreichen. Gemeinsame Steuerregeln müssen in der EU einstimmig beschlossen werden. Unwahrscheinlich, dass Steueroasen wie die Schweiz, Irland oder die Niederlande dazu bereit wären.

In Sachen Starbucks allerdings könnten die deutschen Behörden schon heute tätig werden, sagt der finanzpolitische Sprecher der bayerischen Grünen, Eike Hallitzky. "Gehörten die einzelnen Starbucks-Gesellschaften nicht zu einem Konzern, würden sie sich auf so eine verlustreiche Konstruktion nie einlassen." Das sei ein deutliches Anzeichen für eine widerrechtliche Steueroptimierung.

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Quelle:
SZ vom 21.02.2013/olkl
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