Buchhandel:Weltbild ist nicht mehr zu retten

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Frühere Weltbildfiliale in Berlin. Der Buchhändler ist bald Geschichte. (Archivbild) (Foto: IMAGO)

Der Buchhändler schließt seinen Internetshop früher als geplant, die verbliebenen Geschäfte folgen bis Ende nächster Woche. Weltbild-Kunden müssen nun ihre E-Bücher und Hörbücher sichern. Es bleibt nicht mehr viel Zeit.

Von Dieter Sürig

Schneller als geplant hat der frühere Großbuchhändler Weltbild am Mittwoch seine Internetplattform geschlossen. „Heute sagen wir von Weltbild nach über 75 Jahren zum Abschied danke“, heißt es dort in einem knappen Hinweis. „Der Abverkauf ist so gut gelaufen, dass es Befürchtungen gab, dass die Ware nicht mehr bis Ende August ausgeliefert werden kann“, sagt der Sprecher des vorläufigen Insolvenzverwalters Christian Plail. Auch in Österreich und der Schweiz macht Weltbild dicht, betroffen sind dort immerhin 26 Filialen. Knapp drei Monate nach seinem Insolvenzantrag hatte das Augsburger Unternehmen angekündigt, seinen Betrieb zum 31. August endgültig einzustellen. Im Internet können die Kundinnen und Kunden nun also nicht mehr bestellen. Bleiben die letzten 14 Geschäfte, in denen der Räumungsverkauf läuft – solange der Vorrat reicht, aber auch nur bis höchstens Ende August.

Wer E-Bücher und Hörbücher bei Weltbild gekauft hat und dafür das Lesegerät Tolino benutzt, der muss seine Inhalte bis Samstag, 31. August, sichern. Diese gehen sonst verloren, da sie auf Weltbild-Servern hinterlegt sind. Eine Anleitung ist auf einer speziellen Tolino-Seite im Internet zu finden. Demnach können Kundinnen und Kunden ihre elektronischen Bücher und Hörbücher auf ihren PC laden. Um den Tolino auch für künftige Bestellungen weiter nutzen zu können, müssen sie ein neues Benutzerkonto bei einem anderen Buchhändler der Tolino-Allianz anlegen. Dort können sie auch die bereits erworbenen Inhalte wieder sichern.

Nach Angaben von Weltbild-Betriebsrat Timm Boßmann werden die verbliebenen 440 Mitarbeiter wohl am 2. September freigestellt, für Montag ist eine Betriebsversammlung mit der Arbeitsagentur geplant. Der Betriebsrat hat einen Sozialplan vorbereitet, „wir nehmen aber nicht an, dass da jemals etwas ausgeschüttet wird“, heißt es dort.

Tief enttäuscht sind die Mitarbeiter von dem Düsseldorfer Investor Droege Group, der Weltbild nach dem ersten Insolvenzantrag 2014 von der katholischen Kirche übernommen hatte. „Wir haben eigentlich auch damit gerechnet, dass Droege nochmal investiert“, sagt Boßmann. Entsprechende Signale waren anlässlich des Insolvenzantrags Anfang Juni auch aus der Geschäftsführung der Weltbild-Mutter WB D2C Group gekommen. „Für unseren Kurs haben wir auch die wichtige finanzielle Rückendeckung unseres Gesellschafters, der Droege Group, erhalten“, hatte der neue Finanzchef Sami Sagur gesagt. Bei den Beschäftigten herrscht Unverständnis, „weil viele bis zuletzt geglaubt haben, dass Droege uns nicht fallen lassen würde“, sagt Boßmann. Zumal Gründer Walter Droege der Forbes-Liste zufolge 3,5 Milliarden Dollar schwer ist.

Dabei scheint die Droege Group die Weltbild-Mitarbeiter nicht zum ersten Mal enttäuscht zu haben. „Anstatt nach der ersten Insolvenz eine stimmige Strategie aufzubauen, hat Droege auf anorganisches Wachstum gesetzt und alle möglichen Firmen mit artfremdem Sortiment zusammengekauft – das war fatal“, sagt Boßmann. „Wir haben immer wieder Entwicklungsbedarf gesehen und Vorschläge gemacht“, erinnert er sich. Das sei aber zu Gunsten der vielen Zukäufe zurückgestellt worden. Kritik sei nicht erwünscht gewesen.

Der Umsatz rechtfertigte manche Kosten nicht

Dass die Strategie nach der Insolvenz 2014 nicht grundlegend verändert wurde, darauf deutet auch die Beobachtung des vorläufigen Insolvenzverwalters Christian Plail, der in der jüngsten Mitteilung „zu hohe Kosten im operativen Geschäft – vor allem in den Bereichen IT und Marketing“ ausmacht. Vor diesem Hintergrund würde es „einen immensen finanziellen und zeitlichen Aufwand erfordern, um die Weltbild GmbH & Co. KG. profitabel fortführen zu können“, heißt es weiter. „Man erkennt in der Tat Themen, die auch 2014 diskutiert wurden, wie zum Beispiel die Rolle des Katalogs und das Spannungsfeld zwischen Kosten und Umsatzimpuls“, sagt Plails Sprecher. Bei aller Kritik an dem Vorgehen des Investors: „Man muss aber deutlich und sehr anerkennend sagen, dass Droege in Weltbild sehr viel Geld investiert hat“, ergänzt er.

Für viele Kunden des früheren Großbuchhändlers endet mit dem Aus von Weltbild eine teils jahrzehntelange Beziehung. Das Unternehmen war aus einem gleichnamigen katholischen Monatsmagazin hervorgegangen, dem die Macher einen Prospekt mit Büchern zum Bestellen beilegten, daraus entstand der Weltbild-Bücherdienst. Bis zuletzt verteilte Weltbild regelmäßig einen Katalog in Millionenauflage. In seinen besten Zeiten machte der Buchhändler mit 6400 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von etwa 1,7 Milliarden Euro und betrieb Hunderte Läden, zuletzt waren es 440 Beschäftigte bei einem Umsatz von 120 Millionen Euro, der Onlineanteil lag bei 70 bis 80 Prozent.

Was aus anderen klammen Tochterunternehmen des Mutterkonzerns wird, ist unklar. Unter anderem haben auch Gärtner Pötschke, Kinderwelt Tausendkind, der Rucksackhersteller Fitz & Huxley, das moderne Antiquariat Jokers und Buecher.de einen Insolvenzantrag gestellt. Für die insolventen Gesellschaften und Marken der Gruppe suche man nach Lösungen. „Die Ausgangslagen sind dabei sehr unterschiedlich“, so der vorläufige Insolvenzverwalter Plail. Interesse zumindest an „Vermögenswerten“ von Weltbild selbst, hat der Hagener Konkurrent Thalia beim Bundeskartellamt angemeldet. Neben Büchern und E-Büchern ist dort von Readern die Rede, also vom Lesegerät Tolino. Filialen stehen nicht auf der Wunschliste. Thalia hatte 2021 schon zehn Läden von Weltbild übernommen.

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