Buchhandel:Kuscheln mit Amazon

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Die deutschen Buchhändler sind seit Jahren mit ihrem E-Lesegerät Tolino erfolgreich gegen den US-Konzern Amazon aufgetreten. Zwei Buchketten kooperieren plötzlich mit dem Internet-Kaufhaus - der Rest der Branche ist perplex über den neuen Schulterschluss.

Von Dieter Sürig

Es war im März 2013, als die Buchhändler Thalia, Weltbild, Hugendubel und der Bertelsmann Buchklub eine ungewöhnliche Allianz verkündeten: Ein Lesegerät für E-Bücher sollte dem Kindle des US-Internetkaufhauses Amazon Paroli bieten. "Wir wollen das Feld nicht kampflos überlassen", sagte Thalia-Chef Michael Busch damals. Der Schulterschluss wurde zum weltweiten Beispiel dafür, wie nationale Händler ein Gegengewicht zu Amazon aufbauen können. Tolinos Marktanteil hat sich nach Branchenschätzungen bei 40 Prozent eingependelt.

So überraschend die Initiative deutscher Buchhändler war, so perplex ist die Branche nun über einen neuen Schulterschluss: Amazon will zum Weltkindertag am 20. September mit der Stiftung Lesen eine Million Grimm-Märchenbücher verschenken - und diese über Thalia und Hugendubel verteilen. Amazon ist seit Jahresbeginn Mitglied im Stifterrat, dort kamen sich der Konzern und die beiden Buchketten offenbar näher.

Die Kritik in der Branche entzündet sich nun nicht nur daran, dass deutsche Buchhändler mit dem US-Konzern gemeinsame Sache machen. Sondern auch daran, dass die Stiftung mit der Aktion Tausende kleine Buchhandlungen bundesweit außen vor lässt. Die Aktion fördere vor allem die Strategie Amazons, alleiniger Vermittler zwischen Autor und Leser zu werden, kritisiert Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins. Der Branchenverband ist selbst Mitglied der Stiftung Lesen, nach eigenen Angaben aber nicht inhaltlich in Projekte eingebunden. "Solche Aktionen, bei denen zudem der komplette unabhängige Buchhandel ausgeschlossen ist, dienen nicht dazu, einen Buchmarkt, der für Qualität und Vielfalt steht, zu stärken. Sie schaden ihm", sagt Skipis. Der Börsenverein erwägt gar den Austritt aus der Stiftung.

"Wir möchten, dass Lesen einen Platz im Alltag aller Menschen findet und behält", sagt Stiftungschef Jörg Maas. Thalia verweist auf diese Stellungnahme, Hugendubel will sich Mitte August dazu äußern. Maas schließt auch nicht aus, dass sich weitere Buchläden beteiligen. Von einem "harten Schlag ins Gesicht der Buchbranche" spricht Folkert Roggenkamp, Geschäftsleiter der Deutschen Bibelgesellschaft. Alle Beteiligten müssten "sich die Frage gefallen lassen, ob sie noch alle Tassen im Schrank haben. Denn sie fällen gerade den Baum, auf dem sie so gemütlich sitzen." Renate Reichstein vom Arbeitskreis der Kinder- und Jugendbuchverlage sieht dieses Problem nicht: "Warum soll eine Aktion zur Leseförderung gleich schlecht sein, bloß weil da Amazon draufsteht?"

© SZ vom 26.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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