Buchauszug:Ein Mann wie Cary Grant

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Ex-Börsenchef Werner Seifert in seinem neuen Buch über den früheren Deutsche-Bank-Sprecher Rolf-E. Breuer.

Eines Tages rief ein Headhunter aus München an. Ich suchte keine andere Stelle und brannte nicht wirklich darauf, was er mir zu sagen hatte. Doch siehe da, er hatte spannende Neuigkeiten: Rolf-E. Breuer, damals im Vorstand der Deutschen Bank, war gerade zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Börse gewählt worden - und wollte mich sprechen.

Breuer eilte damals der Ruf voraus, sich für einen Ausbau der Sparte Investmentbanking bei der Deutschen Bank und die Stärkung des Finanzplatzes Frankfurt einzusetzen. Zwar wollte ich meinen Arbeitsplatz nicht wechseln. Aber Breuer wollte ich unbedingt kennen lernen.

Wir trafen uns in den schimmernden Türmen der Deutschen Bank, die die Skyline von Frankfurt dominieren. Die Räume der Geschäftsleitung liegen im 31. Stock. Dort ist der Teppich so dick, dass man seine eigenen Schritte nicht hört.

"Immer perfekt gekleidet"

Ich trage sehr ungern Anzüge und Krawatten; Breuer aber ist immer perfekt gekleidet, und so kam er mir bei unserer ersten Begegnung wie Cary Grant vor, der in einem Hollywood-Film der fünfziger Jahre einen Geschäftsmann spielt - groß und sonnengebräunt, mit perfekt sitzendem Jackett und einem gefalteten Taschentuch in der Brusttasche. Eine imposante Erscheinung...

Ich fiel aus allen Wolken, als Breuer mir anbot, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Börse zu werden. Meinen Einwand, ich hätte nicht die geringste Ahnung von Börsen und Kapitalmärkten, wischte er mit einem Lächeln beiseite: "Genau deswegen sind Sie der richtige Mann. Verwandeln Sie die Börse in ein ganz normales, profitables Unternehmen!"

Wäre ich an seiner Stelle gewesen, hätte ich mir diesen Job wahrscheinlich nicht angeboten. Doch Breuer war weitsichtig und ein kluger Stratege. Er suchte jemanden, der den Klüngel der Börsenmakler aufscheuchte, der das ganze Unternehmen von Grund auf neu strukturierte, es auf Profit ausrichtete, es effizienter gestaltete und die Deutsche Börse fit für weiteres, zukünftiges Wachstum machte...

"Äußerst produktive Zusammenarbeit"

Dieses Treffen hoch über Frankfurt war der Beginn einer äußerst produktiven Zusammenarbeit. Schon bald erkannte ich, dass Breuer ein hervorragender Stratege ist, aber darüber hinaus auch die Fähigkeit besitzt, zu delegieren. Im Gegensatz zu mir verliert er nie die Ruhe. Mit schlafwandlerischer Sicherheit zieht er die relevanten Seiten aus einem großen Stapel Papier, stellt präzise Fragen und trifft klare Entscheidungen, sobald die Antworten ihn zufrieden stellen.

Breuer ist außerdem ein begnadeter Redner - er notiert nur rasch ein paar Worte auf einen Block und bestreitet damit aus dem Stand eine eloquente, kurzweilige Rede von einer halben Stunde, sei es auf Deutsch oder Englisch. Rolf-E. Breuer wurde einer der Hauptgründe, warum ich so gerne für die Deutsche Börse arbeitete.

© SZ vom 04.04.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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