Süddeutsche Zeitung

BSI:Warnung vor Interessenkonflikt

Lobbyismus-Vorwurf gegen designierten IT-Behördenchef: Arne Schönbohm steht schon vor Berufung in der Kritik.

Von Jannis Brühl

Zum Zaren hat es für Arne Schönbohm vorerst nicht gereicht. Einen "Cyber-Zar" nach amerikanischen Vorbild, direkt im Kanzleramt angesiedelt, forderte der IT-Berater 2014 in einem Interview. Zunächst muss sich der 46-Jährige wohl mit dem Posten des Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zufrieden geben. Für die Stelle schlägt ihn Bundesinnenminister Thomas de Maizière vor, dem das Amt untersteht. Im BSI kümmern sich 600 Informatiker, Mathematiker und andere um IT-Sicherheit in Deutschland. Der bisherige BSI-Präsident Michael Hange ist in den Ruhestand gegangen. Allerdings gibt es Widerstand gegen Schönbohm. Er soll der IT-Branche zu nahe stehen.

Derzeit leitet er eine Beraterfirma für IT-Sicherheit und sitzt dem Cyber-Sicherheitsrat vor. Cyber-Experte könnte man das nennen - oder aber "IT-Lobbyist", wie der netzpolitische Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz, es tut. "Man wird das Gefühl nicht los, dass sich das Bundesinnenministerium nicht angeschaut hat, wen man da eigentlich an die Spitze setzen will", sagt von Notz. Er werde de Maizière Anfang des Jahres zur Nominierung befragen, die das Kabinett noch absegnen muss.

Auf der Mitgliederliste des Cyber-Sicherheitsrates stehen neben TÜV, Commerzbank und einer Online-Apotheke vor allem Firmen wie IBM, die Waffensparte von EADS und IT-Sicherheitsfirmen wie Kaspersky, also die Branche, deren Produkte das BSI prüft und zertifiziert. Aus dem Büro des Abgeordneten von Notz heißt es, der Rat sei vor allem ein "Visitenkarten-Institut" mit wenig Substanz. Schönbohm sei zudem Betriebswirt und kein Kryptologe. Im Innenministerium sieht man keinen Interessenskonflikt. Schönbohm werde die Anteile an seiner Beratungsfirma verkaufen und sich aus dem Cyber-Sicherheitsrat zurückziehen. Ein nahtloser Übergang von der Wirtschaft in die Verwaltung bleibt es trotzdem.

Der Widerstand der Netz-Szene ist sicher. Während das BMI auf Schönbohms IT-Erfahrungen verweist, titelt der einflussreiche Blog Netzpolitik: "Kompetenz kein Einstellungskriterium" und wirft ihm "Cyber-Bullshitting" vor: Hohles Gerede mit technologisch klingenden Phrasen. Schönbohm selbst hat dem Sicherheitsrat zufolge dieses Jahr keine Zeit mehr, Fragen zu eventuellen Interessenkonflikten zu beantworten.

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Quelle:
SZ vom 23.12.2015
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