Brötchenstreit: Bäcker contra Aldi:Die Tradition bröselt

Bäcker und Aldi streiten um die Qualität von Brot und Brötchen. Dabei waren die alten Standards des Handwerks schon längst vor dieser Querele auf dem Rückzug - die Konkurrenz wird einfach zu groß.

Daniela Winderl und Silvia Liebrich

Um gute Semmeln zu backen, braucht man viel Enthusiasmus. Bäckermeister Andreas Oberprieler hat ihn noch. An sechs Tagen in der Woche steht der 56-Jährige, der vier Filialen in Landshut betreibt, morgens um halb zwei auf, um kurz darauf seine Backstube aufzuschließen. Dann rührt er den Teig für Schwarzbrot an, weil der am längsten ziehen muss. Anschließend folgen Weißbrot, Brezen und diverse Brötchensorten. Ungefähr 1800 Stück schafft er mit seinen sieben Mitarbeitern in der Stunde.

Brothunger der Deutschen trotz anstehender Preisanhebung ungebrochen

Billig-Brot vom Discounter macht den deutschen Bäckern zu schaffen: Vor allem die Personalkosten sorgen für schlechte Luft in vielen Backstuben.

(Foto: ag.ddp)

Ein Knochenjob, den in Deutschland immer weniger Bäcker ausüben wollen. Das zeigt die Statistik: Seit Beginn der 1990er Jahre hat sich die Zahl der traditionellen Bäckereien beinahe halbiert, auf nur noch 15.000. "Das Sterben der Betriebe geht weiter", sagt Peter Becker, Präsident des Zentralverbandes des Bäckerhandwerks. Allein im vergangenen Jahr gaben zwei Prozent der Handwerksbetriebe auf.

Schuld daran sind nicht nur die harten Arbeitsbedingungen, sondern vor allem der starke Wettbewerb durch Discounter und andere Billiganbieter, die Tiefkühlware teilweise sogar aus dem Ausland importieren und hier nur noch aufbacken lassen.

Bäckt er wirklich?

Doch der Bäckerverband will diese Entwicklung nicht mehr einfach so hinnehmen. Gerade erst hat er Aldi verklagt, wegen irreführender Werbung. Ein angeblich neues Angebot an frisch gebackenem Brot und Brötchen sei in Wirklichkeit nichts anderes als eine Mogelpackung, die nur aus leicht aufgewärmter und angebräunter Ware bestehe, so der Vorwurf. Der Discounter, der das Angebot schrittweise in 1780 Filialen einführen will, widerspricht vehement

Den Konkurrenzdruck bekommt auch Bäckermeister Oberprieler zu spüren. In Landshut gibt es vier Aldi-Filialen. Bei drei davon können Kunden seit einigen Monaten Brot- und Backwaren "frisch" aus dem Automaten kaufen. "Backofen" heißt die Marke, die Aldi Ende vergangenen Jahres zunächst in Süddeutschland lanciert hat. Die ockerfarbene Maschine ist in drei Fächer aufgegliedert: links gibt es Weizensemmeln zum Stückpreis von 15 Cent, in der Mitte Brotlaibe, rechts Laugenbrezen für 39 Cent.

Wer drei Brötchen will, muss dreimal auf das blaue Knöpfchen drücken. "Immer frisch von früh bis spät", verspricht die Aufschrift auf der Aldi-Gebäcktüte. Was der Automat aber genau macht, ehe er die Semmel ausspuckt, muss nun ein Gericht klären.

Bäcker schwören Tradition ab

Wer seine Brötchen lieber bei Oberprieler kauft, muss etwas tiefer in die Tasche greifen. Eine Kaisersemmel kostet bei ihm 25 Cent, eine Breze 48 Cent. Acht bis allerhöchstens zehn Prozent bleiben dem Bäckermeister davon als Gewinn. Auch er hat "Täglich backfrische Ware" auf die Tüten schreiben lassen, die seine Frau an der Theke mit frischen Backwaren füllt.

Oberprieler ärgert sich über die Werbemasche des Discounters. "Wir legen Wert auf das traditionelle Backverfahren", sagt er und erklärt den Unterschied: Während seine Semmel nur aus Mehl, Hefe, Salz, Wasser, Malz und Handarbeit bestehe, setzten viele Aufback-Bäckereien künstlich hergestellte Enzyme, Emulgatoren und andere chemische Zusätze ein, die der Semmel ein hübsches Aussehen, mehr Volumen und Stabilität verleihen sollen. Als ein Wiener Bäckermeister namens Kayser um 1750 die erste Semmel aus simplem Weißbrotteig formte, vermochte der sich dies sicher nicht vorzustellen.

Hohe Personalkosten versus Backautomat

Doch es sind längst nicht nur Discounter und Billiganbieter, die solche Hilfsmittel nutzen. Auch traditionelle Bäcker greifen immer häufiger zu Fertigprodukten von Irex, Uldo oder MeisterMarken. Diese Hersteller verkaufen Backmischungen, die meist nur noch mit Wasser angerührt werden müssen. Ein deutschlandweit bekanntes Produkt ist etwa der Kornspitz, entwickelt von der österreichischen Firma Backaldrin.

Dass es diesen Trend gibt, muss auch Bäckerpräsident Becker einräumen, der in Hamburg selbst einen Handwerksbetrieb mit 60 Mitarbeitern führt. Nach seinen Angaben arbeiten jedoch nach wie vor die meisten Bäcker auf traditionelle Weise. "Alles andere sind Gerüchte, die von der Industrie gestreut werden", meint er.

Neben dem starken Wettbewerb sind es laut Becker vor allem die hohen Personalkosten, die viele Handwerksbetriebe belasten. Während bei Oberprieler in Landshut sieben Beschäftigte in der Backstube werkeln, wird in der Aldi-Filiale ein paar Straßen weiter kaum Personal am Backautomaten benötigt, ein großer Vorteil, wenn es darum geht, die Preise der Konkurrenz zu unterbieten. Auch das Zubereiten von Brot und Semmeln übernehmen bei den Aldi-Lieferanten vor allem große Knet- und Backmaschinen, das ist billiger.

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