Wenn Mario Draghi vor die Fernsehkameras tritt, dann diskutieren alle, was er sagt. Wenn Christine Lagarde vor die Menge tritt, diskutieren viele über ihre Halstücher. Sowohl der Chef der Europäischen Zentralbank als auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds bekleiden Spitzenpositionen. Aber Frauen und Finanzen? Das gehört in den Köpfen vieler Menschen nicht zusammen. Und daran haben auch die Medien Mitschuld, wie eine britische Studie nun zutage förderte.
Die Analyse von 300 britischen Magazinartikeln zeigt, dass 65 Prozent der Finanzbeiträge Frauen als Geldausgeber charakterisierten. Frauen sollten Kosten sparen, ihr Ausgabeverhalten unter Kontrolle bringen und Rabatte nutzen. Kluge Finanzentscheidungen bei Themen wie Rente, Aktien oder Immobilien trauten ihnen die Autoren selten zu: Finanzplanung sei für Frauen ein Minenfeld. Komplex, einschüchternd und undurchschaubar.
Männer hingegen wurden in den untersuchten Berichten überwiegend als kluge Investoren porträtiert, die gekonnt Risiken abwägen, Geld für sich arbeiten lassen und sich so im Vergleich mit Geschlechtsgenossen Männlichkeit und Status beweisen. 70 Prozent der Artikel unterstrichen, dass Geld ein männliches Ideal sei. "Das ist schlicht und ergreifend alltäglicher Sexismus", sagt Anne Boden, Chefin des Finanz-Start-ups Starling Bank, das die Studie in Auftrag gegeben hat. Die Artikel zementierten das Klischee des "rationalen" Mannes und der "frivolen" Frau.
Dass Medien Männer und Frauen in Finanzfragen unterschiedlich ansprechen, zeigt sich der Studie zufolge auf mehreren Ebenen: in der Themenwahl, der inhaltlichen Stoßrichtung der Artikel und in der Sprache. Thematisch würden Artikel für Frauen oft darauf abheben, wie man Kosten sparen oder sich ein kleines Zubrot verdienen kann. Artikel für Männer wiederum handelten von Aktien, Immobilien oder edlen Weinen als Investment. Auch bei den Empfehlungen und in der Sprache gibt es große Unterschiede. Während Frauen in Sachen Finanzen "denken" und "fragen" sollen, dürfen Männer "machen". Während Frauen Kosten "reduzieren" und "Risiken verhindern", sollen Männer "nehmen" und "erobern". Während Männern Empfehlungen gegeben werden ("Wie sie..."), klingt das in den Artikeln, die an Frauen gerichtet sind, oft nach Anweisungen ("Machen Sie nicht ...").
"Risikoneigung ist eigentlich keine Frage des Geschlechts."
Solche Rollenklischees haben Folgen, ist die Psychologin Monika Müller überzeugt. Sie hat sich mit dem Verhältnis von Frauen zu Geld und Finanzanlagen intensiv auseinandergesetzt. In Portfolios von Frauen sei der Aktienanteil oft geringer als in jenen von Männern. Ähnlich verhalte es sich mit der Risikobereitschaft, das zeigen Analysen von Banken. "Aber Risikoneigung ist eigentlich keine Frage des Geschlechts, sondern weitgehend anerzogen", sagt Müller. Frauen, die auf Mädchenschulen waren und deswegen weniger mit Rollenklischees zu tun hatten, seien später genauso risikobereit wie Männer.
Dass solche Geschlechterklischees in Finanzfragen überhaupt existieren, liege in der menschlichen Psyche begründet, meint Müller. Das Thema Geld sei mit starken Emotionen verbunden. Mit Hass, Neid, Bewunderung, und in Deutschland auch mit dem Wunsch nach Sicherheit. "Diese Aufgabe schreiben viele unterbewusst dem Mann zu", sagt Müller. Er soll die Frau im Ernstfall körperlich schützen und verteidigen können, so die tradierte Vorstellung. Die Muskelstärke von Männern übertrage sich bei vielen Menschen unterbewusst auch auf das Thema Finanzen, das viele automatisch als männlich einordneten. Das merkt Finanzpsychologin Müller immer wieder, wenn sie Frauen berät, die beruflich mit Geld zu tun haben.
Um an diese unterbewussten Überzeugungen heranzukommen, sagt Müller, bräuchte es vor allem mehr weibliche Vorbilder in der Gesellschaft, mehr Fondsmanagerinnen und Finanzberaterinnen. Und Medien, die bei Frauen nicht immer nur vom Sparen reden.