Brillenmarkt:Fielmann sucht Weitsicht

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Günther Fielmann, Vorstandsvorsitzender der Fielmann AG, will Kunden weiterhin ihre Sehhilfen im Geschäft anpassen. (Foto: dpa)

Günther Fielmann schreibt lieber Briefe statt E-Mails und spottet über den Handel im Internet. Doch wird die Konkurrenz dort immer stärker. Die Kette muss sich entscheiden, wie sie künftig Geld verdienen will.

Von Kristina Läsker, Hamburg

Für die Aufsteiger der Branche hat Günther Fielmann vor allem eines übrig: Spott. Was sich von den aufstrebenden Online-Brillenhändlern lernen lasse? "Nichts", antwortet der Grandseigneur der Optikerzunft, als er am Montag die Bilanz der größten deutschen Brillenkette vorstellt, und er schiebt eine Spitze hinterher: "Das sind Firmen, die jahrelang Verluste machen und immer wieder neues Wagniskapital einwerben." Mit solchen Sprüchen will der 74-Jährige junge Online-Händler wie Mister Spex kleinreden. Seit sieben Jahren verkauft der Betrieb aus Berlin Brillen über das Internet. Gut 30 Millionen Euro haben Investoren in das Start-up gesteckt, dieses Jahr will Gründer Dirk Graber den Umsatz auf 48 Millionen Euro treiben. Nur Gewinne - und darauf zielt Fielmann ab - hat der einstige Berater Graber noch keine erzielt.

Doch dafür nehmen die neuen Firmen den traditionellen Optikern reichlich Kunden weg: Mister Spex ist ja nicht der einzige. Auch Firmen wie Brille24.de und Netzoptiker verkaufen über das Internet. Das läppert sich: Etwa eine halbe Million Stück haben Online-Händler zuletzt abgesetzt. Sie haben sich einen Marktanteil von drei Prozent erobert, und der dürfte weiterklettern. Viele Betriebe legen zweistellig zu, die Wachstumsraten sind traumhaft.

Unternehmer Fielmann schreibt bis heute lieber Briefe statt E-Mails, und noch mag er über Internet-Geschäfte spotten. Doch der Trend tut weh. Jahr für Jahr hat es mehr Optiker-Läden in Deutschland gegeben, nun ist damit Schluss. Erstmals ist im vergangenen Jahr die Zahl der Filialen auf 12 000 gesunken, hat der Zentralverband der Augenoptiker (ZVA) ermittelt. Getroffen hat es die Mittelständler, eingeklemmt zwischen Start-ups und Ketten. Allmählich steigt bei vielen Familienbetrieben die Sorge, dass sie die Verlierer des Wandels sein könnten. Weil immer mehr Kurz- und Weitsichtige im Internet shoppen: Er rechne mit langsam, aber stetig steigenden Online-Erlösen, hat auch ZVA-Verbandspräsident Thomas Truckenbrod jüngst gesagt und vor den Folgen gewarnt: "Eine technologische Entwicklung kann und soll eine Branche nicht negieren."

Die Bevölkerung altert: Deswegen brauchen immer mehr Menschen eine Sehhilfe

Denn es geht um Milliarden. Egal, ob rot verspiegelte Pilotenbrillen oder markante Horngestelle à la Verkehrsminister Dobrindt: In Deutschland wurden 2013 so viele Brillen verkauft wie nie zuvor. Fast zwölf Millionen Fassungen wurden neu angepasst, weitere 6,5 Millionen alte Gestelle bekamen neue Gläser. Das brachte einiges ein: Die Erlöse kletterten um 2,7 Prozent auf 5,4 Milliarden Euro. Ein Drittel davon sind Kontaktlinsen und Sonnenbrillen, zwei Drittel Korrektionsbrillen.

Von diesem Plus profitierten neben Online-Händlern auch Ketten wie Apollo-Optik und eben Fielmann. Jede zweite Brille stammt vom Marktführer aus Hamburg. Das seit 1994 an der Börse notierte Familien-Unternehmen wächst und wächst in kleinen Schritten. Der Brillenverkauf legt stetig zu, zuletzt auf 7,3 (Vorjahr 7,1) Millionen Stück - auch weil immer mehr Menschen wegen der ermüdenden Arbeit am Computer eine Sehhilfe brauchen oder für den Sport eine Zweitbrille wollen.

Auf das Internet will Patriarch Fielmann trotzdem verzichten "Wir beobachten den Markt sehr genau, sehen aber keine Möglichkeit, Brillen per Versand zu verkaufen", sagt der Augenoptiker und tut, was er bei dieser Frage gerne tut: Er malt die Folgen einer schlecht angepassten Brille aus. Abgespanntheit, Kopfschmerzen oder Doppelbilder-Sehen. "Wer eine optimal sitzende Brille verkaufen will, kann das nur im Kontakt mit den Kunden." Ob er komplett auf Online-Umsätze verzichten will? Die Antwort ist flapsig: "Wenn einer im Winter in die kalte Alster springt, springe ich ja auch nicht hinterher."

Doch so ganz stimmt die Aussage nicht: Auch bei der Kette prüfen sie neue Optionen. Geleitet von Firmenjunior Marc Fielmann wird eine neue App in Österreich getestet. Mit dem Programm für Smartphones können sich Fielmann-Kunden ihre Kontaktlinsen nachbestellen. Es ist ein Ausflug in der Internetwelt - und ein Test für den Filius. Denn Marc Fielmann, 25, ist seit drei Jahren im Konzern und könnte einmal der Nachfolger an der Spitze werden. Doch Fielmann schweigt dazu: Sein Sohn werde "schrittweise an seine spätere Aufgaben" herangeführt, sagt er. Wann der Wechsel kommt, verrät der Senior nicht. "Marc ist auf einem sehr guten Weg."

Preiskampf mit den Online-Rivalen

Doch eine Frage wird die Familie - auch Tochter Sophie, 19, hätte der Vater gerne mit an Bord - bald beantworten müssen: Mit welchem Geschäftsmodell will die Kette künftig Geld verdienen? Denn der Erfolg beruht auf aggressiven Preisen. "Wir verkaufen die Brillen 50 Prozent billiger als die Branche", behauptet der Chef.

Doch genau da punkten auch die Konkurrenten. In vielen Drogerien und Supermärkten sind bereits schlichte Fertigbrillen für ein paar Euro zu haben. Und selbst komplexe Modelle gibt es billig im Internet. "Weil wir keine Ladenmieten zahlen, können wir Brillen mit Sehstärke bis zu 60 Prozent günstiger als die unverbindliche Preisempfehlung der Hersteller anbieten", sagt Mister-Spex-Chef Graber.

Fielmann betont, dass er künftig vor allem auf Gleitsichtbrillen, Kontaktlinsen und Hörgeräte setzen wird und dafür auch weitere Filialen eröffnen will. Mittelfristig soll vor allem der Anteil von Gleitsichtbrillen kräftig zulegen und das soll mehr Profit bringen: Die aufwendigen Gleitsichtbrillen sind bis zu vier Mal so teuer wie normale Brillen.

Die Firma setzt darauf, dass die Bevölkerung altert: Gut 40,1 Millionen Erwachsene tragen bereits eine Brille, mehr als drei Millionen benutzen Kontaktlinsen, hat das Umfrage-Institut Allensbach ermittelt. Bald könnten es weit mehr sein. Denn selbst wer gute Augen hat, braucht im Alter oft eine zusätzliche Lesebrille.

© SZ vom 29.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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