Der Anlass dafür ist, dass nun auch Apollo-Optik, die zweitgrößte Augenoptikerkette in Deutschland, von einem Konzern gekauft wird, der wie kein anderer für den rasant voranschreitenden Konzentrationsprozess in der Branche steht und der heute schon eine schier endlose Reihe namhafter Brillenmarken unter seinem Dach vereint: Ray Ban, Armani, Dolce & Gabbana, Chanel, Ralph Lauren, Gucci, Prada, Miu Miu, Alain Mikli, Bulgari, Burberry, Valentino, Versace, Michael Kors oder Persol.
Der Konzern heißt Essilor-Luxottica und der zusammengesetzte Name deutet schon darauf hin: Der Konzern entstand selber erst 2017 aus der Fusion des italienischen Brillenkonzerns Luxottica und des französischen Brillenglasherstellers Essilor. Es war der Zusammenschluss zweier Glieder einer Wertschöpfungskette, Gestelle und Gläser, den die Finanzmärkte bejubelten. 53 Milliarden Euro ist Essilor-Luxottica heute an der Börse wert.
Ähnlich fällt jetzt die Reaktion der Anleger aus, da ein großer Vertriebskanal, eine führende Filialkette, hinzukommt: die niederländische Firma Grandvision, mit mehr als 7000 Filialen in 40 Ländern, darunter Apollo-Optik mit etwa 800 Filialen in Deutschland. Gemessen an der Filialzahl ist Apollo größer als der hiesige Branchenerste Fielmann, beim Umsatz hinkt die Firma noch hinterher. Noch. Denn der Konzentrationsprozess schreitet weiter voran.
Essilor-Luxottica ist bereit, für die Expansion mehr als sieben Milliarden Euro zu zahlen. Mit dem Mehrheitseigentümer von Grandvision, dem Investor HAL, dem Vorstand und dem Aufsichtsrat, sei man sich bereits einig, teilte der Konzern am Mittwoch mit. Jetzt müssen weitere Aktionäre zustimmen. Ihnen wird die Entscheidung insofern erleichtert, als sich der Kaufpreis für die Aktie noch einmal auf 28,42 Euro erhöht, falls die Übernahme nicht binnen eines Jahres abgeschlossen sein sollte.
Der Zentralverband der Augenoptiker hierzulande sieht die Entwicklung mit Sorge. Im jüngsten Branchenbericht erinnert Vorstandsmitglied Thomas Heimbach bezeichnenderweise an den italienischen Ökonomen Vilfredo Pareto. 1906 habe dieser festgestellt, dass sich etwa 80 Prozent des Volksvermögens in Italien bei rund 20 Prozent der italienischen Familien konzentrierten. "Glücklicherweise sind wir in der Augenoptik noch nicht bei den italienischen Verhältnissen von 1906 angelangt - aber die Reise geht mit kleinen Schritten durchaus dorthin", konstatiert Heimbach. Der Anteil der zehn umsatzstärksten Filialunternehmen am gesamten Branchenumsatz liege derzeit bei knapp 50 Prozent. Er wachse aber von Jahr zu Jahr. "Was bedeutet das für die kleinen und mittelgroßen Betriebe?", fragt Heimbach rhetorisch. Sie müssten tagtäglich 100 Prozent Einsatz bringen, um langfristig wenigstens die 20 Prozent zu verteidigen.
Italienische Verhältnisse also im Reich der Brillen, alles vorangetrieben von einem unbändigen Italiener: Leonardo Del Vecchio, 84 Jahre, aus Agordo in der Nähe der Dolomiten stammend, der zweitreichste Mann seines Landes. Er wuchs im Zweiten Weltkrieg in so prekären Verhältnissen auf, dass seine Mutter ihn ins Waisenhaus geben musste. Als er im Mai wieder einmal mit dem Hubschrauber in Agordo einflog, brachte er Facebook-Gründer Mark Zuckerberg mit. Der sah sich zwei Stunden lang die vielleicht modernste Brillenfabrik der Welt an. Man ahnt: Del Vecchio plant schon den nächsten Coup.