Süddeutsche Zeitung

Briefporto:Wenn die Post teurer wird, soll sie bitteschön auch besser werden

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Dass ein Brief bald 80 Cent kostet, lässt zwar niemanden verarmen. Trotzdem gibt es drei gute Gründe, sich über die Rekorderhöhung zu ärgern.

Kommentar von Benedikt Müller

Zugegeben: Diese Portoerhöhung wird niemanden in die Armut treiben. Ein Haushalt gibt im Durchschnitt noch 2,34 Euro im Monat für Briefe aus - Tendenz fallend, da die Kommunikation ins Internet abwandert. Die Empörung hält sich also in Grenzen, wenn ein Standardbrief der Post bald 80 statt 70 Cent kosten wird, eine Postkarte 60 statt 45 Cent. Der Konzern hat diese Preise nun beantragt, da die Bundesnetzagentur das Ausmaß der Portoerhöhung endgültig beschlossen hat.

Und doch hinterlässt diese höchste Portoerhöhung in der Geschichte der Deutschen Post einen bitteren Nachgeschmack, in mehrerlei Hinsicht. Vor allem private Briefeschreiber, Selbständige und Kleinunternehmer haben gute Gründe, sich über den Preisanstieg zu ärgern.

Während sie nämlich von Juli an teurere Marken kaufen müssen, bleibt für große Firmen und Behörden einstweilen alles beim Alten. Denn die Post gewährt Großversendern, die regelmäßig Tausende Briefe verschicken, Nachlässe aufs Porto. Und der Konzern will auch diese Rabatte im Sommer erhöhen, um den Anstieg für Großkunden "weitgehend" zu kompensieren. So sollen die Portokosten für Großkunden planbarer sein. Welche Preisnachlässe in 2020 gelten, verrät die Post noch nicht. Bis dahin entsteht unweigerlich der Eindruck, dass die Kleinsten die Last einer Portoerhöhung tragen sollen, die dem Post-Konzern zusätzliche Einnahmen in Millionenhöhe bescheren wird.

Hinzu kommt, dass Verbraucher mehr für eine Dienstleistung zahlen sollen, mit der immer mehr Kunden unzufrieden sind: Mehr als 12 000 Beschwerden über Postdienste sind 2018 bei der Netzagentur eingegangen. Das mag zwar nach wenig klingen, wenn man die gesamte Zahl der Sendungen berücksichtigt. Doch es sind doppelt so viele Beschwerden wie im Vorjahr; der Großteil betrifft Briefe. Kunden beklagen etwa, dass die Post in einzelnen Straßen tage- oder gar wochenlang keine Briefe ausgetragen habe - vor allem montags oder samstags nicht. Dass Sendungen in der Folge zu lange unterwegs seien. Oder dass die Post ihre Briefkästen immer seltener oder immer früher am Tag leert.

Keine Frage: Politik und Gesellschaft sollten diskutieren, wie schnell ein Brief in der digitalen Welt wirklich ankommen muss; ob es noch zeitgemäß ist, dass die Post laut Gesetz an allen Werktagen zustellen muss. Doch solange derlei Verordnungen noch gelten, sollte es sich der Staat nicht gefallen lassen, dass ein Post-Konzern regional Tatsachen schafft und phasenweise die Arbeit einstellt. Es ist deshalb richtig, dass der Bund derzeit Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Postdiensten diskutiert.

Dem Staat gehören noch immer 21 Prozent der Post

Und damit zum fragwürdigen Beitrag des Staates zur Rekord-Portoerhöhung: Die Politik hat erst ermöglicht, dass die Preise so stark steigen. Ursprünglich wollte die Netzagentur der Post nur einen Anstieg um fünf Prozent erlauben. Die Behörde zog zwar heran, dass immer weniger Briefe verschickt werden; sie hat jedoch auch den Umbau der Brief- und Paketsparte berücksichtigt (samt Vorruhestandsprogramm für Beamte), den die Post vor einem Jahr angekündigt hatte.

Doch der Konzern kritisierte diesen Fünf-Prozent-Spielraum als zu klein, drohte mit weiteren Einsparungen. Bis die Bundesregierung im Frühjahr kurzerhand die Regeln für Portoerhöhungen reformiert hat: Die Netzagentur berücksichtigt in ihrem Ländervergleich seither keine rein staatlichen Postunternehmen mehr - schon ergibt sich ein höherer Spielraum. Die Bundesregierung hat somit nicht nur ihre eigene Regulierungsbehörde hintergangen. Sie hat auch im Kleinen gezeigt, dass die Interessen eines Post-Konzerns schwerer wogen als zusätzliche Kosten für Briefeschreiber und Kleinunternehmen.

Dies ist pikant, weil dem Staat noch immer 21 Prozent der Post gehören - und da der Konzern auf dem Paketmarkt in einem harten Preiswettbewerb mit Firmen wie Hermes oder UPS steht. Je mehr Gewinn die Post mit Briefen einfährt, desto weniger stark muss sie grundsätzlich Paketpreise anheben, um dennoch genug Geld in der Stammsparte zu verdienen. Ein überhöhtes Briefporto ist mithin auch im Sinne des Wettbewerbs bedenklich.

Deshalb ist nun wichtig: Kunden und Politik sollten darauf achten, ob der Konzern wirklich seine Qualität verbessert und zusätzliche Zusteller anheuert, wie er ebenfalls angekündigt hat. Wenn die Post schon teurer wird, soll sie, bitte schön, auch besser werden. Und auf lange Sicht braucht das Land einen neuen Kompromiss, wie viel Briefzustellung eine digitale Gesellschaft wirklich noch benötigt.

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SZ vom 04.06.2019
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