Handel mit Nordirland:Britische Stahlhersteller müssen Zoll im eigenen Land zahlen

Handel mit Nordirland: Premierminister Boris Johnson beim Besuch des Waffenherstellers Thales in Belfast. Der Konzern ist von den neuen Stahlzöllen im Land betroffen.

Premierminister Boris Johnson beim Besuch des Waffenherstellers Thales in Belfast. Der Konzern ist von den neuen Stahlzöllen im Land betroffen.

(Foto: Liam McBurney/Reuters)

Brexit bizarr: Unternehmen aus dem übrigen Königreich müssen nun 25 Prozent Zoll entrichten, wenn sie bestimmte Stahlprodukte nach Nordirland liefern. Die Empörung ist groß.

Von Alexander Mühlauer, London

Mit dem Brexit hat der britische Premierminister Boris Johnson seinem Land eine ganz besondere Grenze beschert. Sie verläuft zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs, mitten in der Irischen See. Wenn man so will, ist die Grenze unsichtbar, aber britische Unternehmen spüren sie mitunter deutlich. Am härtesten trifft es nun die Stahlhersteller aus England, Schottland und Wales: Sie müssen ab sofort 25 Prozent Zoll zahlen, wenn sie bestimmte Stahlprodukte nach Nordirland liefern.

25 Prozent Zoll auf Lieferungen im eigenen Land? Nachdem die britische Finanzbehörde diese Tatsache den Unternehmen in dieser Woche mitgeteilt hatte, ließ der Aufschrei nicht lange auf sich warten. "Es ist mehr als absurd, dass britische Hersteller durch diese Zölle nun daran gehindert werden, Waren an Kunden im eigenen Land zu verkaufen", sagte Gareth Stace, Generaldirektor des Branchenverbands UK Steel. Er forderte die Regierung dazu auf, die Zölle umgehend auszusetzen und eine Lösung mit der EU zu finden.

So einfach dürfte das allerdings nicht werden, denn die Ursache für die Zölle ist ein Problem, über das London und Brüssel schon lange streiten: das sogenannte Nordirland-Protokoll. Es ist Teil des Austrittsvertrags, den die britische Regierung mit der Europäischen Union nach dem Brexit-Votum geschlossen hat. Oberstes Ziel war es, Warenkontrollen an der kaum wahrnehmbaren Landesgrenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland zu verhindern, um den Friedensprozess nicht zu belasten. Und so einigte man sich darauf, dass sich die einstige Unruheprovinz trotz Brexit weiter an Produkt- und Zollvorschriften der EU hält.

Nordirland gehört also zum Zollgebiet der Europäischen Union. Und so werden grundsätzlich EU-Zölle auf Produkte aus Großbritannien fällig, bei denen das Risiko besteht, dass sie von Nordirland weiter nach Irland transportiert werden - und damit in den EU-Binnenmarkt. Als das Nordirland-Protokoll in Kraft trat, vereinbarten London und Brüssel eine zunächst befristete Ausnahmeregelung, die für britische Unternehmen ein bestimmtes Kontingent für zollfreie Exporte in die Provinz vorsah.

Eine Ausnahme für London? Dafür sind die Beziehungen mit Brüssel zurzeit zu schlecht

Dies änderte sich allerdings im Juli, nachdem Brüssel beschlossen hatte, die einzelnen zollfreien Kontingente für Stahllieferungen aus Drittstaaten zusammenzufassen. In Brüssel heißt es, dass dieses sogenannte globale Kontingent jedes Quartal neu bestimmt werde, doch in diesem Quartal sei die zollfreie Quote bereits ausgeschöpft. Offenbar geschah dies früher als erwartet. Und so gilt der EU-Zoll von 25 Prozent eben nicht nur für Importe bestimmter Stahlprodukte aus der Türkei, sondern auch für jene aus Großbritannien.

Sam Lowe, Handelsexperte bei der Beratungsfirma Flint Global, hatte bereits Anfang August auf dieses Problem hingewiesen. In seinem Blog schrieb er, dass die angespannte Beziehung zwischen London und Brüssel dazu geführt habe, dass die EU-Kommission sich geweigert habe, eine Ausnahme für das Vereinigte Königreich zu machen. Dabei sei das Problem mit den Stahlzöllen "etwas, das sich relativ leicht lösen ließe, wenn die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien besser wären". Das sei aber nicht der Fall.

Wie es aussieht, wird sich das nicht so schnell ändern. Denn egal, ob Liz Truss oder Rishi Sunak die Nachfolge von Boris Johnson als Premier antritt, eines ist schon jetzt klar: Die Brexit-Politik der britischen Regierung wird im Kern so bleiben. Sowohl Truss als auch Sunak haben in dieser Woche bekräftigt, dass sie Johnsons harten Kurs gegenüber Brüssel fortsetzen wollen. Dazu zählt auch ein Gesetz, das es der Regierung erlaubt, Teile des Nordirland-Protokolls auszuhebeln. Der Rechtsakt wurde bereits im Unterhaus eingebracht, aber bis er in Kraft treten kann, wird es noch dauern. In Regierungskreisen ist man jedenfalls davon überzeugt, dass dieses Gesetz nötig ist. Das Problem mit den Stahlzöllen sei dafür doch das beste Argument, heißt es in London.

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