Brexit:Was der Brexit für die Wirtschaft bedeutet

Brexit: Zuletzt gingen die Umfrageergebnisse zum Brexit ebenso auf und ab wie die Kurse an den Börsen.

Zuletzt gingen die Umfrageergebnisse zum Brexit ebenso auf und ab wie die Kurse an den Börsen.

(Foto: AFP)

Was macht der Brexit mit dem Pfund und dem Euro? Welche Branchen sind vom EU-Austritt besonders betroffen? Und kann der Brexit der britischen Wirtschaft nicht sogar helfen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Daniel Brössler, Alexander Mühlauer und Matthias Huber

Was passiert mit dem Britischen Pfund?

Am Wechselkurs des Pfund Sterling wird sich die Brexit-Entscheidung zuallererst zeigen. Bereits am frühen Freitagmorgen ließen erste Prognosen das Pfund gegenüber dem Dollar um mehr als 16 Cent einbrechen und den tiefsten Stand seit 31 Jahren erreichen. Auch zum Euro verlor das Pfund sofort neun Cent. Glaubt man den Prognosen bekannter Investoren wie dem Milliardär George Soros, dann ist das erst der Anfang. Wenige Tage vor dem Brexit-Referendum sagte er, er rechne für den Fall einer Austrittsentscheidung mit einem Kursverlust von mindestens 20 Prozent.

Und wie wirkt sich die Brexit-Entscheidung auf den Euro aus?

Folgen andere europäische Länder dem Beispiel Großbritanniens? In mehreren Mitgliedstaaten wollen Rechtspopulisten raus aus der EU - etwa in den Niederlanden die Partei der Freiheit von Geert Wilders und in Frankreich der Front National von Marine Le Pen. Diese Angst treibt auch viele Anleger um: Die ersten Prognosen zum Ausgang des Brexit-Referendums bescherten dem Euro den größten Kurssturz in der Geschichte der Gemeinschaftswährung - 4,1 Prozent. Nutznießer ist unter anderem der Schweizer Franken, der zum Euro auf den höchsten Stand seit August 2015 kletterte.

Was passiert an den Börsen?

In Frankfurt erwartete die Händler zum Börsenstart am Tag nach dem Brexit-Referendum ein Bild wie aus Zeiten der Finanzkrise. Der Dax startete mit einem Kursverlust von fast zehn Prozent, dem größten Absturz seit 2008. Das liegt an der ungewissen Situation, die das Brexit-Votum mit sich bringt. Neue Handelsbarrieren können die Konjunktur schwächen. Und durch den massiven Kursverlust des Pfunds könnten auch die Importe aus Großbritannien deutlich zurückgehen. Zumindest die deutschen Banken gehen aber davon aus, dass sich die Lage an den Märkten schnell stabilisiert. "Die Lage an den Finanzmärkten dürfte sich nach dem ersten Schock rasch beruhigen", sagte der Präsident des Bankenverbandes, Hans-Walter Peters, am Freitagmorgen. Die Notenbanken hätten zudem alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen, um eingreifen zu können.

Was kostet ein Brexit die Briten?

George Osborne, Schatzkanzler des Vereinigten Königreichs, hat das vorsorglich ausgerechnet. 201 Seiten hat die Studie des Finanzministeriums, der entscheidende Satz lautet: Großbritannien geht es nach einem EU-Austritt "auf Dauer schlechter, und zwar um 4300 Pfund im Jahr für jeden Haushalt". Die Briten haben keinen kostenlosen Zugang mehr zum Binnenmarkt. Das trifft fast alle Branchen - und kostet Arbeitsplätze.

Was kostet ein Brexit die EU?

Erst mal nichts. Irgendwann fehlt natürlich der britische Beitrag zum EU-Haushalt. London hat im Jahr 2014 - das sind die aktuellsten Zahlen - mehr als elf Milliarden Euro überwiesen. Das Vereinigte Königreich ist nach Deutschland, Frankreich und Italien der größte Nettozahler.

Kann der Brexit der britischen Wirtschaft auch helfen?

Könnte sich der Brexit nicht auch positiv auf die britische Wirtschaft auswirken?

Das glauben die Brexit-Befürworter. Doch die Briten müssen regeln, wie sie künftig mit der EU handeln wollen. Es gibt drei Möglichkeiten. Erstens: Großbritannien wird behandelt wie Norwegen; ist also nicht Mitglied in der EU, aber im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). London müsste EU-Vorschriften umsetzen, ohne mitbestimmen zu können. Zweite Möglichkeit: gar kein Abkommen. Exporte laufen dann gemäß den Regeln der Welthandelsorganisation ab. Da wäre der wirtschaftliche Schaden im Vergleich zur Mitgliedschaft am größten. Das dritte Modell ist ein eigenes neues Freihandelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU. Das ist die Lieblingsvariante der Pro-Brexit-Fraktion. Bei der Rating-Agentur Standard & Poor's geht man aber wohl nicht davon aus, dass sich diese Hoffnung erfüllt: Kurz nach der Bekanntgabe des Brexit-Ergebnisses kündigte ein Sprecher bereits an, dass Großbritannien "sehr wahrscheinlich" sein AAA-Rating verlieren werde.

Was bedeutet der Brexit für die TTIP-Verhandlungen?

Ohne Großbritannien fehlt so etwas wie der europäische Brückenkopf in die USA. Die Briten sind seit jeher den Amerikanern verbunden - und dem Freihandel. Sie haben weniger starke Schutzbedürfnisse als andere Staaten in der EU.

Welche Branchen fürchten den Brexit besonders?

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Großbritannien sind eng. So wird beispielsweise jedes fünfte in Deutschland produzierte Auto nach Großbritannien verkauft. Oder andersherum: Autos deutscher Marken haben auf der Insel einen Marktanteil von etwa 50 Prozent. Auch die Elektro- und Maschinenbauindustrien fürchten in Großbritannien um einen ihrer wichtigsten Absatzmärkte. Neben der Exportwirtschaft sind aber auch Unternehmen mit Niederlassungen auf der Insel betroffen: Zu den größten deutschen Arbeitgebern dort gehören die Deutsche Post (DHL) mit 48 000 Mitarbeitern, die Deutsche Bahn (Arriva) mit 25 000 Beschäftigten und der Pharmakonzern Celesio mit 20 000.

Besonders hart könnte der Brexit die Finanzbranche treffen: Banken brauchen für Dienstleistungen innerhalb der EU rechtlich selbständige Tochterbanken mit Sitz in einem EU-Staat. Derzeit können sie grenzüberschreitend frei agieren. Durch den Brexit werden Handelsbarrieren befürchtet. Einige Banken hatten bereits angekündigt, ihren europäischen Hauptsitz im Falle eines EU-Austritts Großbritanniens in ein anderes Land zu verlegen.

Viel steht auch für die Deutsche Börse auf dem Spiel. Sie will sich mit dem Londoner Konkurrenten LSE zusammenschließen. Das Anteilsverhältnis ist schon festgezurrt. Der Deal könnte für den Frankfurter Marktbetreiber nun teuer werden, falls die Londoner Börse wegen des Brexits massiv an Wert verlieren sollte.

Mit Material von dpa, AFP und Reuters

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