Brexit:Schlecht vorbereitet

Deutsche Unternehmen fürchten die Folgen eines Brexit. Erstaunlicherweise treffen nur die wenigsten konkrete Vorkehrungen.

Von Caspar Busse

Bei den internationalen Kreditinstituten laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren. Die großen Geschäftsbanken wie JP Morgan Chase, Lloyds, Morgan Stanley oder Royal Bank of Scotland zum Beispiel haben ihre Devisenhändler angewiesen, sich am Tag des Brexit-Referendums am 23. Juni die ganze Nacht bereit zu halten. Einige Unternehmen haben nach Bloomberg-Angaben bereits vorsorglich Hotelzimmer gebucht. So sollen Kundenaufträge schnell abgearbeitet werden können, wenn das Brexit-Ergebnis kommt. Sollte Großbritannien wirklich gegen eine EU-Mitgliedschaft stimmen, rechnen Experten mit einem Absturz des Pfunds und dann auch der Aktienkurse.

Die Unsicherheit ist groß, auch bei deutschen Unternehmen. Zudem sind viele von ihnen so gut wie nicht auf einen Brexit vorbereitet. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Studie des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und der Wirtschaftsprüferfirma Deloitte, die an diesem Mittwoch in Berlin vorgestellt werden soll. Demnach rechnen 30 Prozent der Unternehmen fest mit negativen Auswirkungen auf das eigene Geschäft. Nur ein Viertel ist nach eigenen Angaben allerdings auf die Folgen vorbereitet, und das sind vor allem Vertreter der Finanzbranche. Die Industrie hingegen könnte es kalt erwischen.

Alle fürchten die Auswirkungen, nur die Finanzindustrie beschäftigt sich damit

Für die Studie wurden Mitte Mai insgesamt 215 Unternehmen befragt, und zwar nur solche, die unmittelbar Geschäfte mit Großbritannien tätigen. "Die Verunsicherung der deutschen Wirtschaft über die zukünftigen Geschäftsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich sind mit den Händen zu greifen", teilt BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber mit. Die Briten sind nach den USA, China und Frankreich der wichtigste Wirtschaftspartner der Deutschen. In den vergangenen 25 Jahren hat sich der bilaterale Handel mehr als verdoppelt. Mehr als 2500 deutsche Unternehmen verfügen nach Angaben des Auswärtigen Amtes über Niederlassungen in Großbritannien und beschäftigen dort rund 370 000 Mitarbeiter, das ist mehr als ein Prozent der britischen Beschäftigten. Deutschland exportierte 2015 Waren im Wert von 90 Milliarden Euro auf die Insel, so viel wie nie zuvor. BMW, Siemens, die Finanzindustrie, aber auch der Einzelhandel und viele Mittelständler sind sehr aktiv in Großbritannien.

Die Ängste sind vielfältig. 71 Prozent der befragten Firmen fürchten erhöhte Unsicherheiten an den Finanzmärkten, 60 Prozent stärker schwankende Wechselkurse. Fast die Hälfte rechnen mit steigenden Zöllen für deutsche Exporteure. Genauso viele gehen davon aus, dass künftig Direktinvestitionen nicht mehr in Großbritannien, sondern in Kontinentaleuropa getätigt werden. Außerdem dürfte die Komplexität durch neue Regelungen im Außenhandel steigen. "Erstaunlicherweise", so die Studie, bereiteten sich darauf aber nur die wenigsten vor. Nach jüngsten Umfragen liegen die EU-Anhänger derzeit noch vor den Brexit-Befürwortern, wenn auch nur sehr knapp.

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