Süddeutsche Zeitung

Brexit-Profiteure:Paris schlägt Frankfurt

Banker ziehen wegen des Brexits nach Frankreich, statt an den deutschen Finanzplatz. Präsident Macron hat offenbar sehr gut für seine Stadt geworben.

Von J. Willmroth, M. Zydra, Frankfurt

Es muss ein beeindruckendes Treffen gewesen sein, das sich Anfang des Jahres im Schloss Versailles zugetragen hat. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hatte die globale Wirtschaftselite eingeladen, um sie davon zu überzeugen, dass Frankreich ökonomisch wieder da ist. Macron, der einst bei der Investmentbank Rothschild große Deals abgewickelt hat, spricht die Sprache der Chefs und kennt deren Bedürfnisse. Lloyd Blankfein, Chef der US-Bank Goldman Sachs, twitterte nach dem Treffen, in Frankreich gehe die Sonne auf. Macron und sein Team hätten sich sehr darum bemüht, neue Investments und Geschäfte nach Frankreich zu lotsen.

Das Werben des französischen Staatspräsidenten scheint sich auszuzahlen. Immer mehr internationale Banken wie die Citigroup und Vermögensverwalter wie Blackrock eröffnen Büros in Paris, meldete jüngst die Financial Times, womit immer deutlicher wird: Den einen großen Brexit-Profiteur wird es unter Europas Finanzplätzen nicht geben. Anstatt Tausende Jobs nach Frankfurt umzusiedeln, schaffen Banken und andere Finanzkonzerne jeweils einige hundert Stellen in Städten außerhalb Großbritanniens, in Paris und Frankfurt, in Dublin und Madrid oder in Mailand.

Die Finanzbranche bereitet sich seit bald zwei Jahren auf Großbritanniens Austritt aus der EU vor. Mit der City of London wird das wichtigste Finanzzentrum Europas durch den Brexit an Bedeutung verlieren - wenn die dort ansässigen internationalen Banken ihr Geschäft in den dann 27 EU-Staaten fortsetzen möchten, müssen sie Dependancen auf dem Kontinent öffnen. Die Europäische Bankenaufsicht bei der EZB hat klargestellt, dass sie keine Briefkastenfirmen dulden werde. Folglich müssen Personal und Kapital verlagert werden, wobei die Banken nicht warten können, bis die britische Regierung und die EU alle Einzelheiten ausverhandelt haben.

Zu Anfang galt Frankfurt als der größte mögliche Profiteur des Brexit, auch dank einer großen Kampagne, die am Tag nach dem Referendum startete. Doch mit dem Amtsantritt von Macron ist den Deutschen ein starker Konkurrent erwachsen. "Aus der deutschen Perspektive besteht das Risiko, dass man Vorteile verliert, die man sicher geglaubt hatte", sagt Hubertus Väth, Chef der Lobbygruppe Frankfurt Main Finance. Er rechnet durch den Brexit in den nächsten fünf Jahren immer noch mit 10 000 neuen Stellen in Frankfurt. In Paris sind die Hoffnungen neuerdings ähnlich groß, nachdem der französische Präsident zuletzt auch mit dem Versprechen auf Steuererleichterungen geworben hatte.

Wie ernst es Macron ist, zeigte sich im November, als Paris den Zuschlag für die Europäische Bankenaufsicht Eba erhielt, auf die in Frankfurt viele gehofft hatten. Die Behörde muss London nach dem Brexit verlassen. Sie gehört mit den Finanzmarktaufsicht Esma und der Versicherungsaufsicht Eiopa zu den drei Aufsichtsgremien, die in der EU nach der Finanzkrise gegründet wurden. Man darf die Eba nicht mit der Europäischen Bankenaufsicht bei der EZB verwechseln, die bei der Kontrolle der Großbanken der Euro-Zone große Zugriffsrechte hat. Die Eba plant die Stresstests für Banken in der EU und arbeitet beschlossene Regeln technisch aus.

Am Main dachte man so: Die Eba passt gut zur heimischen EZB, auch die Nähe zur Eiopa in Frankfurt könnte die Zusammenarbeit erleichtern. Doch dann machte Paris das Rennen um die Eba und deren 200 Mitarbeiter. Das lag auch am Versprechen der Franzosen, der Behörde mietfreie Büros zu garantieren. Französische Regierungen gelten seit jeher als konsequent, wenn es um die Sicherung europäischer Posten und Standorte geht. Die europäische Finanzmarktaufsicht Esma sitzt in Paris. Sobald die Eba ihre Arbeit in der französischen Hauptstadt aufnehme, fürchtet man in Frankfurt, könne der Druck steigen, irgendwann auch die EZB-Aufsicht umzusiedeln, mit 1000 Arbeitsplätzen und vielen Konferenzen. Konkrete Pläne gibt es noch nicht, aber solche Unsicherheiten beeinflussen die Standortwahl von Londoner Banken. Mit einem Präsidenten, der sich persönlich für Paris als Finanzplatz einsetzt, hat Frankreich derzeit die stärksten Argumente

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SZ vom 18.07.2018
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