Finanzkriminalität:Singapur an der Themse

Finanzkriminalität: Blick auf die Londoner City: Der Brexit-Vertrag ist ausgehandelt. Aber womöglich enthält er Lücken, über die sich Finanzkriminelle freuen dürften.

Blick auf die Londoner City: Der Brexit-Vertrag ist ausgehandelt. Aber womöglich enthält er Lücken, über die sich Finanzkriminelle freuen dürften.

(Foto: Tolga Akmen/AFP)

Zwei EU-Parlamentarier sehen im Brexit-Handelsvertrag gefährliche Lücken: Großbritannien könnte zum Hort für Geldwäscher werden.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Im EU-Parlament gibt es Kritik am Brexit-Handelsvertrag, der den Ausstieg Großbritanniens aus der EU regelt. Die Übereinkunft würde es den Briten erlauben, sich in Bezug auf die Besteuerung und die Geldwäschebekämpfung in ein "Singapur an der Themse" zu verwandeln, heißt es in einem Brief der beiden Grünen-Abgeordneten Sven Giegold und Philippe Lamberts an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Parlamentarier fürchten, dass Londons Finanzsektor künftig von laxen Gesetzen ähnlich wie in Singapur profitiert, um flüchtiges Kapital anzuziehen.

In den britischen Offshore-Steueroasen wie den Kaimaninseln, Jungferninseln und Jersey bunkern Steuerhinterzieher und Geldwäscher seit Jahrzehnten ihre Vermögen. Das Schlupfloch innerhalb der EU galt schon während der britischen Mitgliedschaft als großes Ärgernis, weil auch dem deutschen Fiskus dadurch hohe Steuereinnahmen entgingen.

Die EU-Geldwäschebekämpfung krankt seit Jahrzehnten an einer mangelnden Umsetzung der Regeln durch die Mitgliedsstaaten. Das liegt auch daran, dass die gesetzlichen Richtlinien bei der Umsetzung viel Spielraum bieten. Die Enthüllung der Panama-Papers, die 200 Milliarden Euro, die die Danske Bank mutmaßlich für Kriminelle gewaschen hat, sowie die hohe Finanzkriminalität in EU-Staaten wie Malta und Zypern zeigen zuletzt, dass es Handlungsbedarf gibt.

Die Briten sollen verbindlich zusagen, dass sie Steuerdumping bekämpfen

Die EU-Kommission möchte deshalb bald eine Geldwäsche-Verordnung vorschlagen, die dann, anders als die Richtlinie, eins zu eins umgesetzt werden muss. Gleichzeitig soll es eine zentrale EU-Geldwäscheaufsichtsbehörde geben. Nach aktueller Lesart des Brexit-Vertrags sei Großbritannien nicht verpflichtet, diese Verschärfungen umzusetzen, vielmehr würden die aktuell geltenden Steuerregeln und Maßnahmen gegen Geldwäschebekämpfung und Terrorismusfinanzierung für Großbritannien auf dem jetzigen Niveau eingefroren. "Weil wir erkennen, dass unsere eigenen Regeln gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung unzureichend sind, hat die EU weitreichende Pläne, diese im nächsten Jahr zu verschärfen", so die Autoren. Es sei höchst besorgniserregend, "dass die Anti-Geldwäsche-Regeln nicht von den Rebalancing-Regeln abgedeckt sind, die eine Angleichung der sich entwickelnden Standards ermöglichen".

Der Brexit-Handelsvertrag trat zum 1. Januar vorläufig in Kraft, nachdem die Verhandlungen erst Heiligabend abgeschlossen worden waren. Dem EU-Parlament fehlte danach die Zeit, diesen vor Jahresende zu ratifizieren. Die beiden Politiker wollen ihre Sorge auch im Plenum aufgreifen, um so Druck auf die EU-Kommission auszuüben. "Wir empfehlen nachdrücklich, dass der Hebel, den wir gegenüber Großbritannien immer noch haben, so weit wie möglich genutzt werden sollte, um dort eine verbindliche Zusage für den Kampf gegen Steuerdumping und für finanzielle Transparenz zu erreichen", heißt es in dem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. Ein Druckmittel sei die Zulassung britischer Finanzfirmen auf dem Kontinent. Angesichts der Offshore-Zentren solle man die Geschäftszulassung nicht nur an technische, sondern an "ganzheitliche und politische" Gesichtspunkte knüpfen.

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