Brexit-Verhandlungen:Deutliche Drohung aus London

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"Get Brexit done" - den Brexit erledigen. Mit diesem Slogan hat Boris Johnson die letzte Unterhaus-Wahl gewonnen. Nun geht es an die Umsetzung. (Foto: JESSICA TAYLOR/AFP)

Wenn sich bis Juni kein Handelsvertrag abzeichnet, will die britische Regierung die Gespräche mit der EU beenden. Mit dieser harten Verhandlungstaktik versucht sie, Zugeständnisse zu erzwingen.

Von Alexander Mühlauer, London

Die Verhandlungen über die künftige Beziehung mit der EU haben noch gar nicht begonnen, da droht die britische Regierung schon mit dem Abbruch der Gespräche. Die Warnung aus London ist eindeutig: Sollte sich bis Juni kein Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union abzeichnen, werde die Regierung entscheiden müssen, ob sie sich von den Gesprächen zurückziehe. So steht es im Verhandlungsmandat, das die britische Regierung am Donnerstag vorgestellt hat. Die Gespräche mit der EU sollen am Montag in Brüssel beginnen. Sollten sie scheitern, will sich London voll und ganz auf einen Brexit ohne Abkommen vorbereiten.

Wie erwartet, nimmt die britische Regierung damit eine harte Verhandlungslinie gegenüber Brüssel ein. "Wir wollen die bestmöglichen Handelsbeziehungen mit der EU, aber wir werden im Zuge der Vereinbarung nicht unsere Souveränität aufgeben", sagte der für den Brexit zuständige Minister Michael Gove bei der Vorstellung des britischen Verhandlungsmandats im Unterhaus. Die Bürger hätten der Regierung bei der Parlamentswahl im Dezember einen klaren Auftrag erteilt: "Take back control." Dies bedeute für Großbritannien, dass es den Binnenmarkt und die Zollunion zum Jahresende verlassen werde, sagte Gove.

Brexit
:EU-Ministerrat beschließt Mandat für Verhandlungen mit Briten

Die Briten sind Ende Januar aus der EU ausgetreten; nun geht es darum, wie sich beide Seiten künftig begegnen. Die EU hat jetzt rote Linien für die Verhandlungen festgelegt.

Die Zeit drängt also. Soll es nicht zu einem ungeordneten EU-Austritt Großbritanniens kommen, muss es bis Ende des Jahres einen Vertrag geben. Bis dahin gilt noch die sogenannte Übergangsphase, in der sich für Bürger und Unternehmen faktisch noch nichts ändert. Weil der britische Premierminister Boris Johnson ausgeschlossen hat, diese Periode zu verlängern, gilt nun die von ihm gesetzte Deadline am 31. Dezember. Johnson will damit den Druck auf die EU erhöhen, die ihrerseits nichts dagegen hätte, die Verhandlungen über mehrere Jahre zu führen. "Der Premierminister will verhindern, dass Brüssel einfach die Uhr herunterlaufen lässt und uns am Ende des Jahres vor die Wahl stellt: Entweder ihr nehmt einen Vertrag zu unseren Bedingungen oder ihr stürzt ins Chaos", heißt es in London.

Dem Verhandlungsmandat zufolge strebt das Vereinigte Königreich ein Freihandelsabkommen an, das jenen Verträgen gleicht, die Brüssel mit Kanada, Japan oder Südkorea geschlossen hat. Dabei geht es vor allem darum, auch weiterhin keine Zölle und Quoten für Ein- und Ausfuhren von Gütern zu verhängen. Dienstleistungen hingegen, die in Großbritannien 80 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen, werden in den Abkommen nicht umfassend abgedeckt. Deshalb fordert Johnson einen zusätzlichen Vertrag, der beispielsweise den weiteren Zugang britischer Finanzdienstleistungen in der EU sicherstellt. In London ist die Sorge groß, dass Brüssel darauf pocht, den Marktzugang innerhalb von 30 Tagen zu untersagen, wenn die EU-Kommission der Meinung ist, dass Großbritannien von den bislang geltenden Standards abweicht.

Damit hängt auch der wohl größte Knackpunkt der Verhandlungen zusammen: Brüssel will sicherstellen, dass britische Unternehmen gegenüber EU-Rivalen keine unfairen Vorteile haben. Die EU will deshalb nur dann einen Handelsvertrag abschließen, der Importe aus Großbritannien weiter von Zöllen befreit, wenn Johnson keine Standards absenkt, etwa beim Umweltschutz, und sich an EU-Regeln für Subventionen hält. Doch genau das lehnt der Premier ab. Eine Anpassung britischer Gesetze an EU-Regeln werde nicht akzeptiert, heißt es im Verhandlungsmandat der Briten. Auch der Europäische Gerichtshof solle keinerlei Rechtsprechung in Großbritannien mehr ausüben dürfen.

Ärger über Aussagen zum Status Nordirlands

Neben einem Freihandelsabkommen will London Bereiche wie Fischerei, Luftfahrt und Strafverfolgung separat klären. Vor allem die Fischerei gilt als umstritten. Brüssel will möglichst die derzeitigen Abmachungen beibehalten, wonach Fischerboote aus der EU Zugang zu den besonders reichen britischen Fischgründen haben. Das lehnt London jedoch ab. Stattdessen wollen die Briten jährlich festsetzen, welchen Zugang sie zu ihren Gewässern gewähren. EU-Diplomaten gehen davon aus, dass London den Zugang zu den Fischereigewässern davon abhängig macht, wie flexibel sich die Europäische Union beim Marktzugang für britische Finanzdienstleistungen zeigt.

Für Verärgerung auf EU-Seite sorgten am Donnerstag die Aussagen von Michael Gove zum Status Nordirlands. Der Brite betonte bei der Mandatsvorstellung im Unterhaus mehrfach, es werde keine Grenze in der Irischen See geben. Damit nährte er aber Spekulationen, wonach London den Austrittsvertrag missachten könnte. Darin ist geregelt, dass zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs künftig Warenkontrollen stattfinden sollen - und zwar nach den Regeln der Europäer.

© SZ vom 28.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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