Süddeutsche Zeitung

Folgen des Brexit:Britische Firmen ziehen nach Deutschland

  • Deutschland ist das attraktivste Land für britische Investionen in Europa. 152 Firmen aus dem Vereinigten Königreich siedelten sich 2017 hierzulande an.
  • Vor allem Finanz- und Unternehmensdienstleister sowie Firmen aus den Branchen Informationstechnologie und Software zieht es nach Deutschland.
  • Ob sich auch zunehmend die Produktion von der Insel auf das Festland verlagern wird, ist noch nicht abzusehen.

Britische Unternehmen investieren angesichts des näher rückenden EU-Austritts so stark in Deutschland wie noch nie. 2017 siedelten sich 152 Firmen aus dem Vereinigten Königreich neu an, wie aus Daten der für das Standortmarketing der Bundesrepublik zuständigen Gesellschaft Germany Trade & Invest (GTAI) hervorgeht. Das sind gut ein Fünftel mehr als noch im Jahr zuvor. "Die Folgen des Brexit machen sich allmählich bemerkbar", sagte GTAI-Experte Thomas Bozoyan der Nachrichtenagentur Reuters. "Damit ist Deutschland das attraktivste Land für britische Investitionen in Europa und weltweit die Nummer zwei nach den USA."

Der Trend dürfte sich in diesem Jahr fortsetzen. "Die Anfragen aus Großbritannien nehmen zu", sagte GTAI-Expertin Iris Kirsch. "Die spannende Frage ist nun, ob nun auch zunehmend die Produktion von der Insel auf das Festland verlagert wird." Bislang sind es vor allem Finanz- und Unternehmensdienstleister sowie Firmen aus den Branchen Informationstechnologie und Software, die es nach Deutschland zieht: Auf sie entfallen mehr als die Hälfte aller neuen Projekte. "Die Unternehmen wollen für den Brexit gewappnet sein", sagte Kirsch. So benötigten etwa Banken grünes Licht von den Aufsichtsbehörden, um auch künftig ihre Dienstleistungen in Deutschland und anderen EU-Ländern anbieten zu können.

Großbritannien liegt bei Übernahmen und Fusionen vor den USA

Insgesamt siedelten sich im vergangenen Jahr 1910 Unternehmen neu in Deutschland an - mit geplanten 29 000 Arbeitsplätzen. "Das sind etwa so viele wie in den beiden Vorjahren", sagte GTAI-Experte Bozoyan. "Die meisten Ansiedlungen kommen diesmal aus den USA, die China überflügelt haben." Allein 276 Projekte stammen von amerikanischen Unternehmen, 218 von chinesischen. Auf Rang drei kommt die Schweiz, gefolgt von Großbritannien. Bevorzugt investiert wird auch hier in Unternehmens- und Finanzdienstleistungen, gefolgt von Investitionstechnologie und der Software-Branche. Etwa jedes fünfte Unternehmen nutzt Deutschland dabei als Produktions- und Forschungsstandort.

Neben Ansiedlungen wurden auch 1925 ausländische Investitionen durch Übernahmen, Fusionen und Beteiligungen registriert. "Hier kommen die meisten Aktionen aus Großbritannien, gefolgt von den USA", so Bozoyan. Auffällig sei dabei, dass die britischen Beteiligungen oft im kleineren Bereich von unter zehn oder sogar unter einem Prozent geblieben seien - dafür aber häufig bei großen deutschen Unternehmen erfolgten. "Großbritannien ist ein wichtiger Finanzplatz. Die vielen Beteiligungen in Deutschland könnten der Versuch sein, das Portfolio breiter zu streuen - möglicherweise auch wegen des Brexit."

Die Briten haben sich Mitte 2016 in einem Volksentscheid für einen EU-Austritt ausgesprochen. Dieser soll spätestens Ende März 2019 vollzogen sein. Ob die Unternehmen danach mit einer Zollunion einen freien Zugang zum EU-Binnenmarkt behalten, ist noch offen.

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SZ.de/Reuters/dd
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