Bram Schot:Der Mann des Wandels bei Audi

Inside The Audi E-Tron Electric SUV Unveiling Event
(Foto: David Paul Morris/Bloomberg)

Sein Vorgänger landete in Untersuchungshaft, die mächtigen Eigentümer wollten einen Altgedienten: Doch der Mann, der erst nur ein Notnagel war, ist nun Vorstandschef.

Von Max Hägler

So schlecht sei dieses Jahr 2018 doch gar nicht gewesen, sagte der neue Audi-Chef Bram Schot vor wenigen Tagen: "Es ist kein einfacher Moment, aber es ist auch eine Chance." Für ihn persönlich trifft das natürlich zu: Schot, ein Fan des Fußballvereins Feyenoord in Rotterdam und ebendort gebürtig, ist einigermaßen unerwartet zum Vorstandsvorsitzenden aufgestiegen, offiziell mit Wirkung zum Jahreswechsel. Das ist ein Posten voller Prestige, denn BMW, Mercedes und eben Audi sind eigentlich strahlende Marken. Als Sponsor des FC Bayern München ist Audi auch Teil des bayerischen Mia-san-Mia-Habitus, wobei der Ingolstädter Autobauer doch deutlich weniger strahlte im Jahr 2018. Sein Tun im Dieselskandal hat Schatten auf die ganze Autobranche geworfen. Insofern ist es bemerkenswert, dass der oberste Audianer dieser Krise etwas Positives abgewinnen kann.

Der bisherige Audi-Chef Rupert Stadler landete wegen seines Verhaltens im Dieselskandal für einige Monate in Untersuchungshaft. In Ingolstadt verpassten sie sogar das regelkonforme Autobauen, weswegen die Verkaufsräume nun gerade recht leer sind. Und deshalb wird nun bei Audi doch alles Bisherige infrage gestellt: die Seilschaften, die Technologien und vor allem dieses ins Arrogante neigende Selbstverständnis. Bram Schot, 57 Jahre alt, Wirtschaftswissenschaftler mit Hang zu Pathos und Risiko, aber auch zum effizienten Arbeiten, 15 Jahre lang bei Daimler im Vertrieb tätig gewesen, seit 2011 im Volkswagen-Konzern, 2017 zu Audi gerufen, ist der neue starke Mann bei Audi. "Ich bin jetzt der Transformations-CEO", sagt er selbst.

Schot findet es tatsächlich gut, wenn alte Gewissheiten nicht mehr gelten. In solchen Momenten ist eine Katharsis möglich. Und welch ein Glück ist es für Audi, dass da einer zum Zug kommt, der diese Gelegenheit tatsächlich ergreifen will. Wäre es nach den Mehrheitseigentümern gegangen, vor allem den Familien Porsche und Piëch, hätte ein Altgedienter aus dem Reich der Konzernmutter Volkswagen die Geschicke von Audi übernommen. Vor allem die Arbeitnehmer konnten das abwenden in langem Ringen. Und auch die von Konzernchef Herbert Diess gewünschte "externe Lösung" mit einem BMW-Menschen kam nicht zustande.

Deswegen Schot. Der erst als Notnagel einsprang im Sommer, übergangsweise, und jetzt von manchen immer noch als eine Kompromisslösung gesehen wird. Aber er könnte zu weit mehr werden. Bram Schot strebt einen Wandel der Unternehmenskultur an. Die Mitarbeiter hat er zum "Tagträumen" aufgefordert, womit er meint, sie sollten reflektieren über die eigene Arbeit. Er propagiert flache Hierarchien und Transparenz, gibt sich zugänglich selbst abends im Fitnessstudio, spricht die Leute gern mit "Du" an.

Zehn Kilo hat er in den ersten Monaten als Chef abgenommen. Der Wandel ist herausfordernd, die gestalterischen Freiheiten im VW-Reich sind begrenzt. Aber so weit man ihn bislang erlebt hat, kann er beides ganz gut: das breitbeinige Selbstbewusstsein, um sich durchzusetzen, und das Zuhören bei allen, die ihm Relevantes zu sagen haben. Die holländische Spielweise eben.

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