BP: Riskantes Spiel in Russland:Zwischen den Stühlen der Macht

Als ob er nicht schon genügend viele Probleme hätte: BP-Chef Bob Dudley hat schon wieder Ärger mit den Russen und verheddert sich in Moskauer Intrigen.

Andreas Oldag, London

Einen neuerlichen nervenaufreibenden Streit in Russland wollte Robert Dudley unter allen Umständen vermeiden. Doch nun steckt der Chef des britischen Ölkonzerns BP in einem Schlamassel, der dem Unternehmen noch teuer zu stehen kommen kann. Die russischen Aktionäre des Gemeinschaftsunternehmens TNK-BP rebellieren gegen eine von Dudley vor kurzem eingefädelte Kooperation mit dem staatlichen, russischen Ölkonzern Rosneft.

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Die Zentrale von TNK-BP in Moskau: Vier Oligarchen fühlen sich ausgebootet.

(Foto: AFP)

Der BP-Konzern ist unversehens in innerrussische Intrigenspiele geraten. Für die Briten steht dabei einiges auf dem Spiel: Der Konzern sucht nach der Ölkatastrophe im vergangenen Jahr im Golf von Mexiko händeringend nach neuen Explorationsfeldern. Die gigantischen russischen Erdöl- und Gasreserven locken. Doch Dudley ist mit seiner Russland-Strategie ein hohes Risiko eingegangen ist. Vielleicht ein zu hohes.

Vor einem Londoner Gericht erreichten die TNK-BP-Anteilseigner - die Milliardäre Michail Fridman, Viktor Wechselberg, German Chan und Len Blavatnik - jetzt eine einstweilige Verfügung. Das bedeutet, dass BP seine geplante Überkreuzbeteiligung mit Rosneft und die Exploration von Rosneft-Feldern in der russischen Arktis vorerst nicht voranbringen darf. Der Streit kann sich nach Meinung von Experten noch über Jahre hinweg hinziehen.

"Beleidigte Braut"

Hintergrund des Konflikts: Die vier Oligarchen, die sich im Alfa-Access-Renova-Konsortium (AAR) zusammengeschlossen haben, fühlen sich von BP ausgebootet und sehen eine Aktionärsvereinbarung verletzt. Darin ist festgelegt, dass beide Seiten neue Öl- und Gasprojekte in Russland dem TNK-BP Verwaltungsrat vorlegen müssen.

Daran hat sich BP nach Meinung der Kläger nicht gehalten. Sie wollen deshalb auch die BP-Dividende für das vierte Quartal 2010 blockieren. "Fridman und Co. spielen die beleidigte Braut", so ein Londoner Ölhändler. Tatsächlich hat sich der Bräutigam - also BP - in eine verzwickte Lage manövriert, indem er an dem 2003 gegründeten Joint-Venture TNK-BP festhalten will, aber zugleich mit Rosneft anbandelt.

So verkündete Dudley nach einem Treffen mit Russlands Ministerpräsidenten Wladimir Putin Mitte Januar ein "historisches" Abkommen: BP und Rosneft wollen ein Gebiet auf dem russischen Teil der arktischen Kontinentalplatte erkunden und ausbeuten, für das Rosneft die Förderlizenzen hat. Dort vermuten Fachleute fünf Milliarden Tonnen Rohöl und 3000 Milliarden Kubikmeter Gas. Zugleich wurde eine milliardenschwere Überkreuzbeteiligung vereinbart. Rosneft soll fünf Prozent der Stammaktien von BP erhalten, der britische Energiekonzern 9,5 Prozent der Rosneft-Aktien.

Wahl zwischen "Pest und Cholera"

Mit diesem Geschäft haben sich die Briten allerdings mit einem Mann verbündet, der bekannt dafür ist, seine Ziele brutal durchzusetzen: Putin-Freund und Rosneft-Verwaltungsratschef Igor Setschin. Setschin hat das Öl- und Gas-Imperium aus den Trümmern des einstigen Yukos-Konzerns geformt, deren Gründer Michail Chodorkowskij in äußert umstrittenen Gerichtsverfahren wegen Steuerhinterziehung, Diebstahl und Geldwäsche zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Alles andere als stabil

"Wie schlecht ist BP?", fragte jetzt das britische Wirtschaftsmagazin Economist und spielte auf die heikle Frage an, ob sich Dudley nicht schon aus moralischen Gründen von Leuten wie Setschin fernhalten müsste. Das Problem ist allerdings für den gebürtigen Amerikaner Dudley, dass er letztlich nur die Wahl zwischen "Pest und Cholera" hat, wie es ein Londoner Branchenexperte treffend ausdrückt.

Denn nicht nur die BP-Rosneft-Allianz, sondern auch das BP-TNK-Bündnis ist alles andere als stabil. So kam es bereits vor zwei Jahren in der TNK-BP-Führung zu einem erbitterten Machtkampf, in dem Dudley als damaliger Chef des russisch-britischen Joint-Ventures verwickelt war. Ihm wurde das Arbeitsvisum entzogen.

Die AAR-Oligarchen um Fridman zogen alle Register, um Dudley zu vertreiben, der das Unternehmen dann sogar von einem geheimen Ort im Ausland führen musste. Schließlich kam es zu einer Art Burgfrieden zwischen BP und den Russen, der nun aber durch den Streit wegen des BP-Rosneft-Geschäfts erneut entbrannt ist. TNK-BP ist für BP von großer Bedeutung: Etwa 22 Prozent der Produktion des Öl- und Energiekonzerns und 19 Prozent der Erdöl- und Erdgasreserven entfallen auf das Gemeinschaftsunternehmen.

Reputation angeschlagen

Nach Angaben von BP soll nun in einem Schiedsverfahren über die Streitfrage mit den russischen TNK-BP-Aktionären entschieden werden. Sicher werden Fridman, Wechselberg, Chan und Blavatnik versuchen, BP zu Zugeständnissen zu zwingen. Sie könnten es vor allem auch auf eine Beteiligung an den arktischen Rosneft-Feldern abgesehen haben.

Zu beneiden sind die Briten jedenfalls nicht: In den USA ist die Reputation BPs nach der Explosion der Bohrinsel Deepwater Horizon im April 2010 im Golf von Mexiko angeschlagen. Für das Unternehmen wird es schwieriger sein, neue Bohrlizenzen zu erhalten.

Zwar hat Dudley bei der Bilanzpräsentation diese Woche in London betont, dass ein Rückzug des Konzerns trotz der milliardenschweren Kosten infolge der verheerenden Ölpest nicht in Frage komme. Doch Dudley, der seit Oktober an der Spitze von BP steht, hat längst einen vorsichtigen Strategiewechsel in der geografischen Ausrichtung eingeleitet. Bei der Exploration neuer Ölfelder rücken Angola, Brasilien und Aserbaidschan stärker in den Fokus, ebenso wie Russland.

Dies ist auch eine Facette in einem Öl-Monopoly, in dem die westlichen Ölkonzerne zunehmend darauf angewiesen sind, mit Unternehmen in den Förderstaaten zu kooperieren. In den sechziger Jahren beherrschten die Multis noch 85 Prozent der Welterdölreserven. Doch derzeit hat "Big Oil" nur noch direkten Zugriff auf 16 Prozent der Reserven. Mindestens 65 Prozent kontrollieren vom staatsabhängige Unternehmen der Förderländer. "Wir können die Welt nicht mehr bestimmen. Wir müssen mit Kompromissen zurecht kommen", so ein BP-Manager. Das gilt sicher auch für die Russland-Geschäfte der Briten.

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