Botschaft für US-Präsident Trump:Ein Gesetz als Friedensangebot

China's National People's Congress (NPC) - Second Plenary Meeting

Eine Delegation von Militärs überquert den Platz des Himmlischen Friedens in Peking auf dem Weg zum Volkskongress.

(Foto: Lintao Zhang/Getty Images)

Jahrelang hat Chinas Regierung gezögert, jetzt peitscht sie Regeln für ausländische Investitionen durch. Unternehmen aus aller Welt sind darüber aber eher besorgt als erfreut.

Von Christoph Giesen, Peking

Da saßen sie, Anfang Dezember vergangenen Jahres in Buenos Aires, bei argentinischem Steak und schwerem Rotwein: US-Präsident Donald Trump und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping. Die anderen Teilnehmer des G-20-Gipfels waren schon abgereist, Trump und Xi aber hängten noch ein Abendessen dran. Eine Lösung im Handelsstreit der beiden größten Volkswirtschaften der Welt sollte her, nachdem die Vereinigten Staaten und China sich gegenseitig mit Strafzöllen in Milliardenhöhe überzogen hatten. Die USA fordern mehr Marktzugang in der Volksrepublik, eine Verringerung des Handelsdefizits sowie einen besseren Schutz gegen Produktpiraterie und zwangsweisen Technologietransfer für in China tätige ausländische Unternehmen. Xi und Trump einigten sich in Buenos Aires schließlich auf einen Waffenstillstand: 90 Tage lang keine weiteren Zölle, dafür neue Verhandlungen.

Kaum war Xi nach China zurückgekehrt, machte ein Gesetzentwurf in Peking die Runde, ein Dokument, auf das viele ausländische Unternehmer in China schon seit vielen Jahren warten: das Gesetz zur Regelung von ausländischen Investitionen. Es soll endlich klare Regeln schaffen und den Joint-Venture-Zwang beenden, also die Vorgabe, sich stets einen einheimischen Partner suchen zu müssen, mit dem Technologie und Gewinne geteilt werden. Das zumindest war die Hoffnung.

Genährt wurde sie durch den ersten Entwurf, den 2015 das chinesische Handelsministerium vorgelegt hatte. Kaum war das Papier damals öffentlich geworden, verschwand es jedoch schon wieder aus dem Gesetzgebungsprozess. Nun ist es wieder da. Und an diesem Freitag wird in Peking der Nationale Volkskongress, Chinas jährlich tagendes Parlament, über das Gesetz entscheiden.

Der erste Entwurf bestand aus 170 Artikeln, die jüngste Fassung hat noch 41

Von Euphorie aber ist wenig zu spüren. "Das Gesetz ist allenfalls ein kleiner Fortschritt", sagt beispielsweise Lester Ross, Partner bei der internationalen Anwaltskanzlei Wilmer-Hale in Peking. "Es hat den Anschein, dass es sich um eine Lex Trump handelt, um im Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten den Eindruck zu erwecken, dass China sich öffnet", sagt die Münchner Anwältin Sabine Stricker-Kellerer. Sie hat sich auf chinesisches Recht spezialisiert und berät seit Jahrzehnten ausländische Unternehmen in der Volksrepublik. "Das neue Gesetz scheint ein hastig geschriebenes Dokument zu sein, das vor allem aus politischen Statements besteht", meint sie.

Der erste Entwurf 2015 bestand noch aus 170 Artikeln und war ein juristischer Text. Allein neun Paragrafen definierten damals, was unter einer ausländischen Investitionen zu verstehen sei. Die aktuelle Fassung ist frei von solcherlei Details. Stattdessen ist das Gesetz nun reduziert auf schlanke 41 Artikel, viele davon kaum länger als ein Satz. Vieles bleibt auf diese Weise vage: Künftig soll es lokalen Behörden beispielsweise untersagt sein, Technologietransfers anzuordnen. Ein aus Sicht ausländischer Unternehmen löblicher Schritt - doch was bedeutet die Regelung für die nationalen Ämter? Dazu findet sich im Gesetzt kein Wort. "Der Joint-Venture-Zwang wird auch mit diesem Gesetz nicht völlig abgeschafft. Es existiert weiterhin eine sogenannte Negativliste, mit der die Regierung einzelne Branchen etwa von Übernahmen durch ausländische Unternehmen ausnehmen kann", sagt Stricker-Kellerer.

Warum aber wurde aus dem Entwurf von 2015 nichts? "Aus Sicht der Regierung gab es keinen Grund zur Eile", sagt Ross. Das ändert sich nun angesichts der Auseinandersetzung mit den USA. In atemberaubendem Tempo hat die Führung in Peking das neue Gesetz durchgepeitscht: Kurz nach Weihnachten, als die meisten ausländischen Manager im Heimaturlaub waren, erfolgte die erste Lesung im Ständigen Ausschuss des Volkskongresses. Weil die knapp 3000 Delegierten nur einmal im Jahr in der Großen Halle des Volkes zusammentreten, tagt alle zwei Monate der Ständige Ausschuss mit rund 150 Abgeordneten. Er kann Gesetze verabschieden, nur bei grundlegenden Fragen, etwa einer Verfassungsänderung, müssen alle Mitglieder zusammenkommen.

Im Anschluss an die Weihnachtssitzung bat das Gremium um Kommentare bis zum 24. Februar. Doch statt die Frist abzuwarten, trat der Ausschuss gut einen Monat früher als geplant zur zweiten Lesung zusammen, diesmal wenige Tage vor dem chinesischen Frühlingsfest. Wieder war kaum einer der betroffen Unternehmer in Peking. "Wir sind besorgt, dass die Ausarbeitung des Gesetzes zwischen den normalen Gesetzgebungsprozess und die Verhandlungen mit den USA gequetscht wird, auch um den Handelskonflikt zu lösen", sagt Mats Harborn, Präsident der europäischen Handelskammer in China. "Dieses Gesetz wird auf absehbare Zeit große Auswirkungen auf alle ausländischen Unternehmen in China haben. Daher muss der Entwurfsprozess aufgrund einer solch wichtigen Gesetzgebung Zeit und Aufmerksamkeit erhalten."

Eine Mahnung, die wohl zu spät kommt. Am Freitag dürfte der Volkskongress das Gesetz annehmen - alles andere wäre eine große Überraschung.

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