SZ-Nachhaltigkeitsgipfel:"Wir können Strukturwandel, aber keinen Strukturbruch"

DEU, Deutschland, Baden-W¸rttemberg, Renningen, 09.05.2019: Dr. Volkmar Denner, Vorsitzender der Bosch-GeschâÄ°ftsf¸hrung

Als Naturwissenschaftler habe er "relativ früh" erkannt, dass der Klimawandel "menschengemacht" sei, sagt Bosch-Chef Volkmar Denner. Aus Vorstandssicht befinde er sich in einem Dilemma.

(Foto: Arnulf Hettrich, Imago, Bearbeitung SZ)

Bosch-Chef Volkmar Denner warnt vor einer Überbetonung der Ökologie: eine gesunde Wirtschaft und sichere Arbeitsplätze seien auch in der Klimakrise wichtige Ziele.

Von Max Hägler, München

Wenn man wissen will, wie schmerzhaft die Transformation der Mobilität ist, also der Wechsel von Benzin und Diesel-Motoren hin zu nachhaltiger betriebenen Antriebsarten, dann sollte man zu Bosch schauen. Der ganze Stolz des größten Autozulieferers der Welt sind etwa Einspritzsysteme oder Abgasreinigungssysteme. So gut ist die Technik, dass eine Autofahrt in stark belasteten Gegenden die Luft sogar reinigt, wie Bosch-Chef Volkmar Denner vor wenigen Jahren noch ausführte.

80 000 Mitarbeiter forschen an solchen Verbrennerteilen und produzieren sie in Millionen-Stückzahlen. Doch neigt sich diese Technologie zunehmend ihrem Ende entgegen - die Klimaschutzpolitik verlangt das so. In zehn, 15 Jahren wird das in Stuttgart beheimatete Unternehmen deshalb ein anderes sein. In diesen Tagen wurde bekannt, dass Bosch womöglich einen weiteren Standort in diesem Technikbereich schließen wird: Die Dependance in München mit 250 Mitarbeitern.

Er könne den Zwang zum Wandel nachvollziehen, sagt Denner, als er an diesem Freitag dem SZ-Nachhaltigkeitsgipfel zugeschaltet ist. Mit seinem naturwissenschaftlichen Hintergrund habe er "relativ früh" erkannt, dass der Klimawandel "menschengemacht" sei. Doch aus Vorstandssicht befinde er sich in einem "Dilemma": Man dürfe die sozialen und ökonomischen Belastungen für Menschen wie Unternehmen nicht aus dem Blick verlieren im Kampf gegen den Klimawandel: "Es gibt nicht nur die Ökologie", sagt der Physiker. Die Gesellschaft brauche auch eine intakte Wirtschaft und Wohlstand, also sichere Arbeitsplätze und Zeit für einen entsprechenden Übergang. "Wir können Strukturwandel, aber keinen Strukturbruch", warnt Denner - und vertritt damit die Position so ziemlich der gesamten Autobranche und etwa auch des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne).

Die Kunst sei es, dieses Dreieck auzutarieren - und die Manager wiederum müssten ihren Mitarbeitern sehr viel dazu erklären. Wo wird abgebaut, wo wird umgebaut, wo wird aufgebaut - und weshalb? "Das sehe ich als meine Aufgabe an", sagt Denner. Und so habe er es auch bei der etwas sperrigen Frage des Kohlendioxidausstoßes im eigenen Konzern gehalten. Im vergangenen Jahr ist Bosch in den Kernbereichen CO2-neutral geworden. Das bedeutet, dass der Betrieb der 400 Standorte rechnerisch kein Kohlendioxid verursacht. Als er das nach seiner Amtsübernahme im Jahr 2012 anstrebte, da hätten seine Wissenschaftler zurückgemeldet: Unbezahlbar! Um von jährlich 3,3 Millionen CO2-Emissionen auf null zu kommen, wären 1000 Windräder nötig. Oder das Aufforsten von 170 Quadratkilometern pro Jahr. Oder in Geld ausgedrückt: Fünf Milliarden Euro werde das kosten.

"Sie hören nie das Argument: Sparen wir doch am Klimaschutz."

"Als ich merkte: Meine Mitarbeiter folgen mir nicht", da habe es zwei Möglichkeiten gegeben. Den Klimaschutzplan zur Seite legen - oder doch noch einen Weg finden. Denner entschloss sich zur Politik der kleine Schritte: Erst ließ er einige Bereiche "neutral" stellen, dann hat er sogar die neue Chipfabrik in Dresden so geplant: Eine große Aufgabe, denn dort ist viel Energie und Wärme nötig. Es gelang. So sei das Vertrauen gestiegen, "den großen Schritt" zu wagen.

Und sie schafften es letztlich insgesamt, dank immer höherer Energieeffizienz bei den Maschinen, Grünstrom und zugekauften CO2-Zertifikaten. Jetzt steht der nächste, noch viel größere Schritt an: Denner will den CO2-Ausstoß bei der Logistik und der Nutzung der eigenen Produkte herunterbringen. Auch das: Kostenaufwendig. Aber es verhält sich wie bei dem Jobthema: "Sie hören nie das Argument: Sparen wir doch am Klimaschutz", sagt Denner. "Da bin ich stolz drauf."

Und ein wenig stolz ist der sonst sehr zurückhaltende Mensch zum Ende seiner Amtszeit auch auf seine eigene Forschung: Er sei einer der wenigen Vorstandschefs, mit deren Namen Patente angemeldet würden. Das könnte zunehmen. Denn zum Jahreswechsel wird er die Führung des Unternehmens an Stefan Hartung abgeben. Denner will dann mehr forschen, im Feld der Quantentechnologie. "Da gebe es sehr viel disruptives Potential", also Brüche statt Wandel, sagt er. Diesmal scheint er sich darauf zu freuen.

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