Bosch:KI-Stadt Tübingen

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Bosch will langfristig 3000 KI-Experten beschäftigen. (Foto: Vincent Isore / imago)

Der Autozulieferer schafft in der Universitätsstadt 700 Jobs zur Erforschung künstlicher Intelligenz. Tübingen hofft auf einen Schub für die Forschung. Bosch will langfristig 3000 Experten in Sachen künstlicher Intelligenz in der Welt anheuern.

Von Stefan Mayr, Stuttgart/Tübingen

Der Technologie-Konzern Bosch investiert weiter kräftig in das Thema künstliche Intelligenz (KI). In der baden-württembergischen Universitätsstadt Tübingen will das Unternehmen einen neuen Campus errichten, an dem etwa 700 KI-Experten forschen sollen. "Bosch hat das Ziel, bei der Forschung an industrieller KI zur Weltspitze zu gehören", sagte Boschs Digital-Chef Michael Bolle am Mittwoch in Tübingen. "Mit dem neuen Campus werden wir diesem Ziel einen weiteren Schritt näher kommen."

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) bezeichnet die Pläne als "großartig"; sie bedeuteten die größte Einzelinvestition eines Unternehmens in der Stadt. Tübingen werde damit zu "Deutschlands KI-Standort Nummer eins" und stoße europaweit in die "Top drei" vor.

Bosch nimmt für den neuen Campus 35 Millionen Euro in die Hand. Das Areal befindet sich im sogenannten Technologiepark in unmittelbarer Nähe zum Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme. Die neuen Gebäude werden das "Cyber Valley" ergänzen - diese Kooperation hat Bosch 2016 zusammen mit Partnern aus Industrie, Wissenschaft und Politik gegründet, um die KI-Forschung in dem Städtedreieck Stuttgart, Karlsruhe, Tübingen voranzutreiben. Erklärtes Ziel ist es, Erkenntnisse der Grundlagenforschung schnellstmöglich in konkrete industrielle Anwendungen zu überführen.

Bosch finanziert seit 2018 an der Universität Tübingen eine Stiftungsprofessur. Zudem hält das Unternehmen zwei "Industry on Campus"-Professuren, mit denen die Universität Experten aus der Wirtschaft praxisnah in Forschung und Lehre einbindet. Bosch-Chef Volkmar Denner hat die künstliche Intelligenz schon vor Jahren als wichtige Schlüsseltechnologie identifiziert. Schon jetzt hat das Unternehmen weltweit 1000 KI-Experten angeheuert, langfristig sollen es 3000 werden. 2017 hat Denner das Bosch Center for Artificial Intelligence (BCAI) gegründet, mit dem er die besten Forscher anlocken will. Zentrale des BCAI ist Renningen bei Stuttgart, zudem gibt es Standorte in Pittsburgh und Sunnyvale (beide USA), Bangalore (Indien) und Haifa (Israel). Eine weitere Außenstelle ist in China ist geplant, der Standort Tübingen soll 2022 den Betrieb aufnehmen.

In den Tübinger Gebäuden sollen 700 Wissenschaftler am maschinellen Lernen arbeiten, das Forschungsschwerpunkt des BCAI ist. Ein Beispiel aus der Industrie ist die vorausschauende Diagnose. Mit ihr lässt sich der Ausfall einer Maschine vorhersagen, noch bevor der Defekt tatsächlich auftritt. Das ermöglicht die rechtzeitige Wartung der Maschine - und verhindert einen kostspieligen Stillstand der gesamten Produktion.

Zusätzlich plant Bosch in Tübingen Flächen, in denen sich Start-up-Unternehmen und externe Forschungsgruppen vorübergehend einmieten können. Auch öffentlich zugängliche Bereiche sind geplant, um den Expertenaustausch zu fördern - zum Beispiel mit den Kollegen des US-Konzerns Amazon, der in direkter Nachbarschaft ebenfalls ein KI-Forschungszentrum errichten wird. In diesem sollen etwa 200 Arbeitsplätze für hochqualifizierte Wissenschaftler entstehen.

Diese Investition zeigt, dass die Leistungen der Nachwuchsforscher des Cyber Valley weltweit anerkannt werden. Doch das Engagement des Unternehmens Amazon stößt in der Studentenstadt Tübingen auch auf Kritik. Erstens wegen der umstrittenen Arbeitsbedingungen und der Steuervermeidungsstrategien des Konzerns. Auch die ethischen Fragen, die die Verwendung von künstlicher Intelligenz in der Gesellschaft aufwerfen, werden in Tübingen heiß diskutiert. An der Universität gab es bereits Proteste gegen die Ansiedlung von Amazon. Die Gemeinde unterstützt die Baupläne.

© SZ vom 11.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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