Übernahme:Bosch plant größten Zukauf seiner Geschichte

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Eine Wärmepumpe von Bosch. Der Konzern baut den Geschäftsbereich mit einer milliardenschweren Übernahme aus. (Foto: Doreen Garud/dpa)

Für rund 7,4 Milliarden Euro will der Technologiekonzern die Klimasparte von Johnson Controls kaufen. Damit möchte Bosch im Wärmepumpengeschäft stärker werden – und neue Märkte erschließen.

Von Tobias Bug, Nakissa Salavati, Stuttgart

Es ist der größte Zukauf der 138-jährigen Unternehmensgeschichte: Am Dienstag gab der Stuttgarter Technologiekonzern Bosch bekannt, dass er das weltweite Heizungs-, Lüftungs- und Klimatisierungslösungsgeschäft des irischen Konzerns Johnson Controls übernehmen will. Kaufpreis: Rund 7,4 Milliarden Euro. Mit im Paket ist auch ein Gemeinschaftsunternehmen von Johnson Controls mit dem japanischen Industrieunternehmen Hitachi, inklusive der 40-prozentigen Beteiligung von Hitachi.

Bosch will mit der Akquisition eine strategische Lücke schließen: Der Konzern war traditionell stark bei Gas- und Ölheizungen, bei Wärmepumpen und Klimaanlagen aber schwächer. „Mit dem Zukauf erzielen wir eine weltweit führende Marktposition im zukunftsträchtigen Heizungs-, Lüftungs- und Klimatisierungsmarkt“, sagte Bosch-Geschäftsführer Stefan Hartung. Auf dem europäischen Markt ist Bosch in diesem Segment schon stark vertreten, mit dem Zukauf möchte das Unternehmen seine Position auf dem nordamerikanischen und asiatischen Markt verbessern.

Die Geschäftsbereiche, die Bosch von Johnson Controls zukaufen will, erzielten 2023 einen Umsatz von rund vier Milliarden Euro und beschäftigen weltweit rund 12 000 Menschen. Im Produktportfolio: Heizungs-, Lüftungs- und Klimatisierungslösungen für Wohn- und kleine Gewerbegebäude – darunter auch bekannte Marken wie York oder Coleman in den USA und Hitachi in Asien, für die Bosch eine langfristige Lizenz erhält. In den USA liegt der Fokus des Angebots auf Lösungen, bei denen die Luft von einer zentralen Stelle aus durch Kanäle geleitet wird, um alle Räume gleichzeitig entweder zu heizen oder zu kühlen. In Asien werden vor allem Geräte vertrieben, bei denen Inneneinheiten in jedem Raum individuell heizen oder kühlen können – und moderne Klimatisierungssysteme mit variablem Kältemittelfluss.

Boschs Home Comfort Group soll ihren Umsatz durch die Übernahme fast verdoppeln

Bei der Transaktion gehen 16 Produktionsstandorte und zwölf Entwicklungsstandorte in mehr als 30 Ländern an die Stuttgarter über. Die zugekauften Geschäfte will Bosch in seine in Wetzlar ansässige Home Comfort Group integrieren, die vergangenes Jahr einen Umsatz von rund fünf Milliarden Euro machte. Nach der Integration solle die Tochter mit dann 26 000 Mitarbeitern ihren Jahresumsatz fast verdoppeln, sagte Boschs Vizechef Christian Fischer.

Der Stuttgarter Technologiekonzern erwartet, dass der weltweite Heizungs-, Lüftungs- und Klimatisierungsmarkt bis Ende des Jahrzehnts um 40 Prozent wachsen wird – wegen technologischer Innovationen, dem Kampf gegen den Klimawandel und neuen staatlichen Regulierungen. Gerade die Nachfrage nach Klimatisierungstechnik wachse rasant. Fischer sprach von einem „Markt voller Chancen“. George Oliver, Geschäftsführer von Johnson Controls, sagte, das Geschäft ergänze das Bosch-Portfolio ideal und werde sich unter der neuen Führung weiterhin „exzellent entwickeln“. Alle Beteiligten haben den Deal am Dienstag unterzeichnet, auch die Gesellschafter und der Bosch-Aufsichtsrat haben zugestimmt. In einem Jahr soll die Übernahme erfolgen – vorausgesetzt, die Kartellbehörden stimmen zu.

Wärmepumpen sollen hierzulande die Wärmewende ermöglichen

In Asien und den USA nutzen viele Menschen Klimaanlagen, die auch heizen können – sogenannte Luft-Luft-Wärmepumpen. Auch in Europa werden immer mehr Wärmepumpen verbaut, in Deutschland meist solche, die nicht Luft erhitzen, sondern Wasser. Anders als Erdgasheizungen benötigen die Geräte keinen fossilen Rohstoff, sondern nutzen Strom, im besten Fall aus erneuerbaren Energien. Wärmepumpen sollen hierzulande die Wärmewende ermöglichen, die Regierung fördert ihren Einbau finanziell. Denn etwa 30 Prozent der CO₂-Emissionen in Deutschland entstehen, indem Gebäude konventionell geheizt und gekühlt werden. Doch die Wärmewende ist ins Stocken geraten: Im ersten Quartal 2024 setzten die Hersteller 52 Prozent weniger Wärmepumpen ab als im Vorjahr. Vor Kurzem klang daher auch Bosch eher verhalten, man sei „vorsichtig optimistisch“, dass die Nachfrage wieder steige.

Die Wärmewende ist aber vermutlich nur eine Frage der Zeit. Und wo ein neuer Markt entsteht, drängen auch Konkurrenten ins Geschäft. So heißt der Marktführer von Wärmepumpen weltweit nicht Bosch, sondern Daikin aus Japan. Für die Konkurrenz ist der Einstieg in Deutschland allerdings nicht leicht: Firmen wie Bosch haben treue Beziehungen zu Fachhandwerkern aufgebaut, die ihre Produkte verbauen. Diesen Zugang zum deutschen Markt hat sich im vergangenen Jahr der US-Hersteller Carrier Global erkauft, als er die Wärmesparte des deutschen Traditionsherstellers Viessmann für zwölf Milliarden Euro übernahm. Bosch hat nun selbst die Initiative ergriffen und sichert sich Marktanteile auf den starken Märkten in den USA und Asien.

Der Zukauf reiht sich ein in eine Liste großer Akquisitionen in der Konzerngeschichte. 2014 hatte Bosch für drei Milliarden Euro die Hausgerätesparte Bosch-Siemens-Hausgeräte komplett übernommen, 2003 den Heiztechnikspezialisten Buderus und 2001 den Antriebsspezialisten Rexroth.

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