Bei Booking handelt sich um das mit Abstand meistgenutzte Online-Reservierungssystem auf der Iberischen Halbinsel. Manche Hotels bieten nicht mal mehr auf der eigenen Website an, ein Zimmer zu reservieren, und verweisen direkt auf Booking.com. „Der Erfolg unseres Unternehmens basiert auf einer für beide Seiten vorteilhaften und ausgewogenen Partnerschaft mit fast 200 000 Hotels und Unterkünften in Spanien und vielen weiteren in der ganzen Welt“, sagte Booking gegenüber der spanischen Zeitung ABC.
Die spanische Wettbewerbsbehörde CNMC scheint nicht der Auffassung zu sein, dass es sich hier um eine Partnerschaft auf Augenhöhe handelt. Ihrer Ansicht nach hat Booking jahrelang seine Marktmacht missbraucht. Deshalb hat sie das niederländische Unternehmen zu einer Rekordstrafe von 413 Millionen Euro verurteilt. Viel Geld, welches das Online-Reiseportal aber zweifellos bezahlen könnte. Im Jahr 2023 lag der Gewinn der Muttergesellschaft Booking Holding bei rund 4,3 Milliarden US-Dollar.
Was die CNMC kritisiert, erinnert an Konflikte, die in der Vergangenheit auch in Deutschland ausgefochten worden sind, erklärt Markus Luthe, Hauptgeschäftsführer vom Hotelverband Deutschland (IHA). Da geht es erstens um die sogenannte Best-Preis-Klausel, welche Booking hierzulande schon seit 2015 verboten ist. Das Unternehmen hat aber spanischen Hoteliers weiterhin vorgeschrieben, dass sie ihre Zimmer auf der eigenen Homepage nie zu niedrigeren Raten anbieten dürfen als auf dem Vermittlungsportal. Besonders unfair fanden die spanischen Wettbewerbshüter, dass sich das Portal umgekehrt sehr wohl erlaubte, die Preise der Hotels zu unterbieten und damit günstiger zu verkaufen, indem es auf einen Teil seiner eigenen Provision verzichtete – das sogenannte „Undercutting“, eine Geschäftspraxis, die sich mittlerweile auch in Deutschland ausbreitet.
Wichtig zu wissen: Die spanischen Wettbewerbshüter haben Bookings Geschäftsgebaren der vergangenen fünf Jahre in den Blick genommen. Indem sie Booking als „Gatekeeper“ im Sinne des Digital Market Acts benannt hat, hat die EU-Kommission dem Unternehmen am 13. Mai 2024 verboten, auf Best-Preis-Klauseln zu bestehen, spätestens ab Mitte November. Daraufhin verzichtet Booking von Juli an in ganz Europa darauf.
Spanische Hoteliers wollen Booking nicht verärgern
SZ-Recherchen zufolge haben spanische Hoteliers aber weiterhin großen Respekt vor dem niederländischen Unternehmen. Die Zimmerpreise in der App oder der Website von Booking sind praktisch ausnahmslos gleich hoch oder gar niedriger als bei direkten Anfragen im Hotel. Ferienunterkünfte sind mitunter nur auf Booking.com buchbar. In einem Innenstadthotel in Almería reservierte kürzlich ein Reisender sein Zimmer vor den Augen der Rezeptionistin im Internet. Dort war es schlicht günstiger. „Mit Booking will man keinen Ärger haben“, sagt der Betreiber eines Boutique-Hotels in der spanischen Provinz Cáceres. „Eine geplatzte Buchung bei Booking wäre eine Katastrophe.“
Die eigenen Websites vieler Hotels sind eher abschreckend für Nutzer, die eine Unterkunft buchen möchten. Sofern Hotels über eine eigene Online-Reservierungsmöglichkeit verfügen, bietet diese selten den Komfort von Booking. Als Gast fühlt man sich dort schlicht gut aufgehoben, die Fotos der Unterkunft, die Zimmerbeschreibungen, die Nutzererfahrungen, alles ist professionell gemacht.
Zweitens monierte die CNMC, dass Booking über ein Bonusprogramm Hoteliers Anreize setzt, wenn sie ihre Zimmer nicht auf mehreren Plattformen, sondern bevorzugt bei Booking inserieren. So hätten andere, kleinere Buchungsportale nach Ansicht der Wettbewerbshüter kaum eine Chance, sich auf dem Markt zu behaupten. „Das hat die Strafe verdoppelt“, sagt Markus Luthe.
Booking lässt sich seine Dienste als Vermittler teuer bezahlen. So manch spanischer Hotelier schüttelt betrübt den Kopf, wenn man nach dem Anteil des Zimmerpreises fragt, den Booking abzweigt. Nach Unternehmensangaben liegt Bookings Provision bei durchschnittlich 15 Prozent des Reisepreises. Sie kann aber deutlich höher ausfallen, wenn ein Hotel besonders prominent im Ranking platziert werden will. Die Kehrseite: Den Preis dafür zahlen am Ende die Gäste – in Form generell erhöhter Preise.
Booking hat bereits angekündigt Berufung einzulegen
Neben der Best-Preis-Klausel und der Benachteiligung von Konkurrenten kritisierte die CNMC, dass Bookings AGB vorsehen, dass sich spanische Hoteliers bei allen juristischen Streitigkeiten an ein niederländisches Gericht wenden müssen. „Das macht es für ein spanisches Hotel schwer und teuer, zu seinem Recht zu kommen“, sagt Luthe. Auch in Deutschland galt diese Regel jahrelang, der Hotelverband Deutschland (IHA) ist deshalb bereits im Jahr 2020 erfolgreich vor den Europäischen Gerichtshof gezogen, welcher entschieden hat, dass deutsche Hoteliers zumindest bei kartellrechtlichen Fragen auch in Deutschland klagen dürfen. Vertragsrechtliche Streitigkeiten werden aber bis heute weiterhin in Amsterdam entschieden.
Booking hat bereits angekündigt, gegen die Entscheidung der CNMC Berufung einzulegen. Nach Ansicht des Unternehmens sei man in einer sehr wettbewerbsintensiven Branche tätig, „die sich durch ein hohes Maß an Auswahl für Unternehmen und Verbraucher gleichermaßen auszeichnet“. Zudem sei das EU-Gesetz über digitale Märkte das richtige Forum, um die Mehrheit der von der CNMC angesprochenen Themen zu erörtern und zu bewerten, da es ermögliche, sich auf Lösungen zu einigen, die in ganz Europa einheitlich gelten. Die Entscheidung der CNMC trage „vor einem globalen Hintergrund zu einer mangelnden Einheitlichkeit für Verbraucher und Beherbergungsbetriebe in Spanien bei“, teilte Booking.com mit.
Wenngleich spanische Hoteliers im Alltag mit Kritik an Booking zurückhaltend sind, wurde das Urteil der spanischen Wettbewerbsbehörde vom nationalen Arbeitgeberverband der Hotellerie, Cehat, begrüßt. Laut der Zeitung ABC sagte der Generalsekretär von Cehat, Ramón Estalella, er meine, dass der Reisevertriebsriese in den vergangenen Jahren den Unternehmern des Sektors „erheblichen Schaden“ zugefügt habe, „weil er sie daran gehindert hat, so zu vermarkten, wie sie es gerne gehabt hätten“.