Bonuspunkte:Der Treue ist der Doofe

Vorhängeschloss mit Herz

Ewig treu: Bonusprogramme nützen oft nicht den Kunden, sondern vor allem den Unternehmen.

(Foto: dpa)
  • Nach der Pleite von Air Berlin wurde das Meilen-Programm der Fluggesellschaft eingefroren. Treue Kunden haben trotz ihrer gesammelten Meilen keine Vorteile mehr.
  • Das Beispiel zeigt: Es lohnt sich, bei Bonusprogrammen genau hinzuschauen.
  • Solche Programme nützen oft nur den Unternehmen. Manchmal zahlen treue Kunden sogar drauf.

Von Berrit Gräber

Die Deutschen sammeln gerne: Treueherzen im Supermarkt, Bonustaler in der Apotheke, Payback-Punkte in Kaufhäusern oder Bonus-Meilen von Fluglinien. Einer Studie des Marktforschungsunternehmens Nielsen zufolge nutzen fast drei Viertel der Bürger die Kundenbindungsprogramme von Unternehmen. Die Insolvenz von Air Berlin macht aktuell allerdings deutlich, dass Rabattversprechen schnell nichts mehr wert sind. Kunden der zahlungsunfähigen Fluggesellschaft können ihre gesammelten Flugmeilen nicht mehr gegen Gratisflüge oder andere Prämien einlösen. Alle Meilenkonten sind eingefroren und auch bei Partner-Airlines nicht mehr verwendbar. Jurist Michael Hummel von der Verbraucherzentrale Sachsen sagt: "Betroffene können zwar versuchen, Ansprüche im Insolvenzverfahren geltend zu machen, werden damit aber nicht weit kommen."

Muss ein Unternehmen den Betrieb einstellen, verschwinde in der Regel auch das angeschlossene Kundenbindungsprogramm vom Markt, erklärt der Verbraucherschützer. Potenzielle Käufer hätten kein Interesse daran, teure Verbindlichkeiten zu übernehmen. "In der Regel werden nur Betriebsteile gekauft, nicht das ganze Unternehmen", sagt Kay Rodegra, Fachanwalt für Reise- und Verbraucherrecht in Würzburg.

Im Fall von Air Berlin bedeutet das: Haben Kunden Meilen angesammelt, bekommen sie voraussichtlich keine der versprochenen Vorteile - "Teilnehmer solcher Marketingaktionen bleiben im Insolvenzfall so gut wie immer auf dem Schaden sitzen", sagt Hummel.

Topbonus von Air Berlin gehört zu den größten Vielfliegerprogrammen Europas mit mehr als 4,3 Millionen Teilnehmern. Punkte und Meilen durften Kunden bei zwei Dutzend Airline-Partnern, etwa 200 Partnerunternehmen, beim Online-Shopping sowie bei Hotel-Buchungen sammeln.

Verbraucherschützer sehen Bonusprogramme kritisch. Konsumenten, die sich von Boni und Rabatten locken lassen, geben häufig viele persönliche Daten über sich preis. Was damit passiere, sei im Kleingedruckten der Teilnehmeranträge oft genug lediglich schwammig erklärt, warnen die Experten. Nicht alle Firmen halten die Datenschutzbestimmungen im Detail ein, wie eine Untersuchung von Stiftung Warentest ergab.

Hinzu kommt: Der gewährte Rabatt kann am Ende viel kleiner ausfallen, als die Kundschaft sich das vorgestellt hat. Beispiel Kochtöpfe, Weingläser- oder Messersets, die treue Kunden von Einzelhandelsketten erhalten können: Oft müssen sie beim Einlösen der Bonuspunkte noch einen Aufpreis zahlen. Das ärgere die Kunden, wie die Marktforscher von Nielsen feststellen. "Verbraucher sollten immer bedenken: Firmen, die viel Geld in ihre Rabattprogramme investieren, haben nichts zu verschenken. Die Unternehmen sind die echten Profiteure der Aktionen, nicht etwa die Verbraucher", sagt Hummel.

Die vielen Millionen Kunden von Payback oder Deutschlandcard müssen genau hinschauen: Nicht alle Geschäfte bieten gleich viel Rabatt. So schreiben manche Supermärkte erst für zwei Euro Umsatz einen Punkt gut, der aber beim Einlösen nur einen Cent wert ist.

Etwa übersichtlicher ist es bei kleineren Geschäften wie etwa beim Bäcker: Für zehn Stempel auf der Sammelkarte gibt es ein Brot gratis. Auch Apotheken binden ihre Kunden mit Rabatten von drei bis fünf Prozent auf rezeptfreie Waren. Im Gegenzug sollen die Verbraucher ihre Daten hinterlassen. Apotheken werben damit, dass sie dann wissen, welchen Hustensaft, welche Tabletten und welche Salbe Kunden schon gekauft haben und dass sie speziell Senioren daran erinnern können. Ob die Preise günstig sind, spielt keine Rolle mehr - und Kunden ließen sich dazu verführen, Dinge zu kaufen, die sie sonst nicht gekauft hätten, klagen Verbraucher in Foren.

Auch langjährige Meilen-Sammler sind enttäuscht, unabhängig von der Air-Berlin-Insolvenz. In Internet-Foren kritisieren Reisende regelmäßig, dass sich das Sammeln nicht mehr lohne, weil die Gutschriften zunehmend mickriger, die Einschränkungen in den Programmen umso größer geworden seien. Vielflieger stellen in ihren Internet-Einträgen fest: Das vermeintliche Freiticket könne teurer als eine normale Buchung werden, wenn sie Steuern und Gebühren dazurechnen. Oder das versprochene Upgrade in die Businessklasse klappt nicht, weil Geschäftskunden, die für ihren Sitz teuer bezahlt haben, beim Buchen den Vorzug erhalten.

"Die Bedingungen bei den Airlines sind differenzierter geworden", sagt Martin Fassnacht, Marketing-Forscher an der privaten Hochschule WHU. Meilen sammeln könne durchaus Vorteile bringen, glaubt er, doch nicht alle Teilnehmer profitieren. Als Kunde sollte man immer aufs Kleingedruckte achten. Dann werde auch klar, "warum ein Punktekonto plötzlich schrumpft, nicht genutzte Boni verfallen", sagt Verbraucherschützer Hummel. Die ehrlichste Form des Rabatts sei im Übrigen der direkte Preisnachlass. Ständiges Punktesammeln lenke nur davon ab, was man letztlich für sein Geld bekommt. Fassnacht bestätigt das: "Aldi ist erfolgreich und hat kein Kundenbindungsprogramm."

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