Boni:Geld zurück

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Nicht mehr einsame Spitze: In Punkto Boni sind die US-Banken den europäischen Häusern längst wieder enteilt. Das setzt die Deutsche Bank unter Druck. (Foto: Thomas Lohnes/Getty Images)

Zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise verschärft die Politik die Gehaltsvorschriften für Banker: Sie müssen künftig um bereits ausgezahlte Vergütung bangen, wenn sie gegen Regeln verstoßen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Eines haben sie gemeinsam: Volkswagen und die Deutsche Bank. In beiden Dax-Konzernen kassierten die Manager zeitweise hohe Boni, und das, obwohl die Unternehmen nicht nur Verluste verbuchten, sondern auch Tausende Arbeitsplätze abbauten und Milliarden an Strafzahlungen für die Manipulation von Zinsen, Währungen oder Rohstoffpreisen (Deutsche Bank) oder Abgas-Software (Volkswagen) überweisen mussten.

Manipulation - und trotzdem Boni? Nach dem Willen des Gesetzgebers soll es das künftig nicht mehr geben. Zumindest Banken - Industrieunternehmen wie VW sind davon noch ausgenommen - sind künftig dazu gezwungen, nicht nur eingefrorene Boni einzubehalten, sondern sogar ausbezahltes Geld zurückzufordern, wenn die Mitarbeiter bei ihrer Arbeit Regeln verletzt haben, die das Unternehmen später teuer zu stehen kommen. Ermöglichen soll das ein Gesetz mit dem sperrigen Namen Institutsvergütungsverordnung, das am 1. März in verschärfter Form in Kraft tritt und europäische Vorgaben umsetzt.

Die Bezahlung von Bankern ist bereits seit einigen Jahren gesetzlich geregelt. EU-weit gelten Obergrenzen für Boni im Verhältnis zum Fixgehalt, außerdem müssen die Sonderleistungen teilweise verzögert ausbezahlt werden. Die Aufseher wollen damit verhindern, dass Banker auf der Jagd nach Boni hohe Risiken eingehen, die sich langfristig als gefährlich für ihre Geldhäuser herausstellen. "Wir haben bei den Banken gesehen, dass Scheingewinne über Vergütungen privatisiert wurden, Risiken und spätere Verluste aber sozialisiert wurden", schimpfte unlängst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

Werden sich Boni also nie wieder aus "Scheingewinnen" speisen, vor allem jetzt, da das Gesetz verschärft wurde? Rechtsexperten warnen vor zu hohen Erwartungen. Es werde auch mit dem neuen Gesetz nicht reihenweise dazu kommen, dass Banker Boni zurückzahlen müssten. "Die Bank muss dann zum Beispiel nachweisen, dass der Einzelne relevante Regeln verletzt hat oder zumindest mit dafür verantwortlich war, dass das Institut hohe Strafen zahlen musste", sagt Hans-Peter Löw, Arbeitsrechtsexperte der Kanzlei Allen & Overy. Unklar ist zum Beispiel, wann genau die Rückforderung droht. Erst wenn ein Urteil vorliegt oder bereits dann, wenn ein Mitarbeiter bei einer fragwürdigen E-Mail unter Kollegen in "cc" war? Die angeführten Argumente müssten am Ende schließlich vor Arbeitsgerichten standhalten.

Ohnehin müssen die 50 größten deutschen Banken (die Mehrzahl der Volksbanken und Sparkassen wurden im letzten Moment von der Pflicht befreit) nun erst einmal die Verträge sämtlicher wichtiger Manager ändern und Klauseln für die besagten Rückforderungen einfügen. Erfassen soll das Gesetz schließlich nicht nur neu eingestellte Manager, sondern alle "Risikoträger". So nennt das Gesetz jene Mitarbeiter, deren Arbeit zu größeren Verlusten bei der Bank führen kann. Auf freiwilliger Basis hatten sich diese "Clawback-Klauseln" hierzulande nicht durchgesetzt: Aus Angst, Talente zu verschrecken, hatten viele Geldinstitute lieber die Finger davon gelassen.

In der Vergangenheit haben Banken die Boni-Regeln nicht immer ernst genommen

Aber einfach mal eben die Verträge ändern - ganz so geordnet wird das bei vielen Banken wohl nicht ablaufen, fürchten Experten, schließlich stellen sich die Mitarbeiter damit schlechter. Es sei fraglich, ob die Institute das alles so umsetzen können, wie die Aufsicht sich das vorstelle, sagt Arbeitsrechtler Löw. Bei neuen Verträgen sei das kein Problem, da füge man die Klauseln ein, aber bei bestehenden Verträgen müsse die Bank den Mitarbeiter zur Not mit sanftem Druck dazu bringen, sich darauf einzulassen. "Offen damit zu drohen, dass es sonst keinen Bonus oder keine Gehaltserhöhung gibt, das ist arbeitsrechtlich nicht zulässig", sagt Löw. Petra Knab-Hägele zufolge, Banken-Expertin bei der Vergütungsberatung HKP, müssten Banken in solchen Fällen wohl über ein juristisches Gutachten nachweisen, dass die neue Klausel erforderlich sei.

Tatsächlich war die Aufsicht auch in den vergangenen Jahren nicht immer zufrieden mit der Umsetzung ihrer Boni-Verordnungen. An den Bonusdeckel zum Beispiel hielten sich unter den deutschen Großbanken erst einmal nur wenige. Erst als die Finanzaufsicht Bafin dann genauer hinschaute, zeigte sich, dass das vorgeschriebene Verhältnis von fixen und variablen Gehaltsanteilen von vielen Banken zunächst gar nicht ernst genommen wurde. Die Deutsche Bank erhöhte zudem schlicht die Fixgehälter zahlreicher Banker. Das ist zwar nicht verboten, zeigt aber, wie die Geldhäuser die Regeln umgehen können.

Dieses Mal wollen es sich die Banken aber offenbar nicht nachsagen lassen, die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen. Die meisten von der SZ befragten sechs größten deutschen Banken gaben an, die Verträge ihrer Risikoträger zügig ändern zu können. Bei der teilstaatlichen Commerzbank geht man davon aus, die Verträge "aller betroffenen Mitarbeiter vollständig anpassen zu können". Die Hypo-Vereinsbank, die DZ Bank und die Landesbank Baden-Württemberg wollen die Neufassung der Verordnung adäquat umsetzen. Vorerst keinen Kommentar gab es von BayernLB und Deutscher Bank, man wolle erst etwas sagen, wenn der endgültige Gesetzestext vorliege.

Die Deutsche Bank freilich wird das Gesetz am stärksten fordern. Insgesamt rund 3000 Risikoträger arbeiten bei Deutschlands größtem Geldhaus, und die sind derzeit ohnehin nicht in bester Stimmung: Erst vor wenigen Tagen hat Bankchef John Cryan erstmals seit Langem den individuellen Bonus für das gesamte mittlere Management gestrichen. Zwar gilt das Verdikt erst einmal nur für ein Jahr. Viele Banker aber sollen sehr verärgert gewesen sein, ist aus den Doppeltürmen zu hören. Schließlich konnte der Bonus in guten Zeiten bis zu 60 Prozent des Gesamtgehalts ausmachen. Die Bereitschaft, sich nun freiwillig auf eine Vertragsänderung einzulassen, dürfte daher derzeit nicht sehr groß sein.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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