Böses Erwachen:Nach der Wahl kommt der Stellenabbau

In vielen Betrieben endet die Kurzarbeit. Experten erwarten daher einen massiven Stellenabbau. Konzerchefs halten bisher dagegen.

Th. Fromm und S. Haas

Nach der Bundestagswahl kommt nun auf den Tisch, was im Wahlkampf verschwiegen wurde: Die Arbeitslosigkeit wird steigen, denn in vielen Firmen endet die Kurzarbeit. Manager weisen den Jobabbau von sich. Gewerkschafter befürchten, dass Arbeitnehmer in die Armut abrutschen.

Die Kurzarbeit hat bisher das Schlimmste verhindert. Darin sind sich die Experten einig. Doch im Herbst und Winter wird es kritisch. Wenn die Wirtschaft nicht richtig anspringt, wird es Entlassungen geben. Denn Personalchefs prüfen bald, ob es sich lohnt, die Kurzarbeit noch einmal zu verlängern.

"Betriebe, denen es schlechtgeht, werden Mitarbeiter entlassen, weil ihnen die Kurzarbeit nicht mehr hilft", schätzt Wilhelm Adamy, Arbeitsmarktexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin. "Wenn keine neuen die Beschäftigung stabilisierenden Maßnahmen ergriffen werden, wird die Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr deutlich steigen", sagt der Gewerkschafter.

Den Ängsten entgegen wirken

Auch das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg rechnet mit Entlassungen. Viele Betriebe haben auch ohne Kurzarbeit ihre Mitarbeiter gehalten. Dadurch sank deren Produktivität. "Die Betriebe werden die Kosten der Unterauslastung ihrer Mitarbeiter nicht dauerhaft tragen können", so die Arbeitsmarktforscher in ihrem Bericht.

Noch weisen die meisten Manager Stellenstreichungen von sich. Der Technologiekonzern Siemens hatte im vergangenen Sommer bereits mit dem Abbau von weltweit 17.000 Stellen begonnen- also bereits vor Ausbruch der Krise. Nun bemüht sich das Management, Ängsten in der Belegschaft entgegenzuwirken. Erst vor zwei Wochen hatte die Konzernführung von Siemens ein Papier an die Personalabteilungen geschickt.

Man werde "alle Anstrengungen unternehmen, damit in Deutschland keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden müssen", heißt es dort. Wegen der anhaltenden Flaute könne jedoch an "einzelnen Standorten eine dauerhafte Reduktion von Arbeitsplätzen erforderlich" sein, heißt es weiter.

1,4 Millionen Kurzarbeiter bangen

Im August blieb die offizielle Arbeitslosigkeit in Deutschland noch knapp unter 3,5 Millionen Menschen. Die Zahl verschleiert aber das tatsächliche Ausmaß derjenigen, die gerne richtig arbeiten würden. Dazu gehören auch die etwa 1,4 Millionen Kurzarbeiter.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit sind das rein rechnerisch etwa 400.000 Vollzeitstellen. Davon werde vielleicht die Hälfte arbeitslos, schätzt Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Auch Siemens hatte mit Kurzarbeit auf die Krise reagiert: 19.000 seiner 130.000 Beschäftigten in Deutschland waren bis vor kurzem in Kurzarbeit. Dennoch rechnen Analysten von JP Morgan vor, dass Siemens schon bald noch weitere 10.000 Stellen streichen müsse.

Schlimm ist es in der Autobranche

Der Konzern weist das von sich. Bei anderen dürften die Aussichten düsterer sein als bei den Münchnern. ThyssenKrupp hat in Deutschland zuletzt bereits 3900 Stellen gestrichen, bei der Telekom und Daimler waren es mehr als 5000. Besonders schlimm sieht es in der Autobranche aus. Tausende Jobs könnten hier in den nächsten Jahren verlorengehen.

Noch am Wahlwochenende hatte Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) die Verlängerung der geförderten Kurzarbeit von derzeit 24 auf 36 Monate in Aussicht gestellt. Er rechne außerdem mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit. "Es sieht danach aus, dass wir für September über 100.000 Arbeitslose weniger zählen als im Vormonat", sagte Scholz der Nachrichtenagentur dpa.

Der Wirtschaft geht es besser

Auch IW-Direktor Hüther glaubt, dass die Arbeitslosigkeit nicht so dramatisch steigen wird, wie noch vor Monaten erwartet worden war. Der Gesamtwirtschaft gehe es inzwischen besser. Damit habe die Kurzarbeit ihre Brückenfunktion erfüllt."Eine weitere Verlängerung würde aber Arbeitslosigkeit verdecken", warnt Hüther.

DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy hält dagegen ein Überbrückungsgeld für nötig, das im Anschluss an das Arbeitslosengeld für weitere zwölf Monate gezahlt wird. "Damit wollen wir vermeiden, dass langjährige Arbeitnehmer schnell auf Hartz IV angewiesen sind und damit in die Armut abrutschen", sagt Adamy.

Die Höhe des Überbrückungsgeldes sollte nach seinen Worten so hoch sein wie das Arbeitslosengeld und jeweils zur Hälfte aus der Arbeitslosenversicherung und aus Steuermitteln finanziert werden.

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