Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:Scholz' Börsensteuer brächte nur fünf Milliarden Euro ein

Bis 2026 soll die Finanztransaktionssteuer kommen. Eine neue Studie zeigt aber, dass die EU mit dem Entwurf des Finanzministers deutlich weniger einnehmen würde - deswegen gibt es Kritik.

Von Björn Finke, Brüssel

Nach der Einigung beim Gipfel räumte nun das Europaparlament die letzte Hürde aus dem Weg: Die Abgeordneten stimmten am Mittwoch dem Mehrjährigen Finanzrahmen zu - dem groben EU-Budgetplan für die kommenden sieben Jahre - sowie dem umstrittenen Rechtsstaatsmechanismus. Beide können damit im Januar in Kraft treten. Vergangene Woche hatten die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem Treffen in Brüssel die Blockade des Haushalts beenden können. Dies gelang durch eine Zusatzerklärung, die auf Bedenken Polens und Ungarns gegen die neue Rechtsstaatsklausel einging.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versicherte aber den Abgeordneten am Mittwoch, dass diese Erklärung nichts an dem Mechanismus ändere, der erstmals die Auszahlung von EU-Fördergeld mit der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien im Empfängerland verknüpft. Es gebe auch keine Verzögerung, versprach von der Leyen: Von Januar an werde davon "jeder Regelbruch abgedeckt sein".

Das Europaparlament hatte seine Zustimmung zum Sieben-Jahres-Etat unter anderem davon abhängig gemacht, dass ein Fahrplan für neue Einnahmequellen der EU erstellt wird. Schließlich wird die Kommission Schulden aufnehmen, um den 750 Milliarden Euro schweren Corona-Hilfstopf zu füllen. Neue Erlöse sollen helfen, diese zurückzuzahlen. Der Fahrplan sieht vor, dass die Kommission bis Sommer 2024 einen Vorschlag für eine sogenannte Finanztransaktionssteuer unterbreitet. Diese Steuer auf Börsengeschäfte soll dann Anfang 2026 in Kraft treten - falls alle Mitgliedstaaten zustimmen. Allerdings präsentierte die Kommission bereits vor neun Jahren so einen Entwurf, aus dem wegen des Widerstands von Ländern wie Luxemburg nichts wurde.

Nach Scholz' Entwurf würde nur der Kauf von Aktien großer Firmen besteuert werden, nicht aber der Handel mit Derivaten

Daher versucht seit inzwischen acht Jahren eine Gruppe von anfangs elf und nun zehn willigen Euro-Staaten, voranzuschreiten und sich auf so eine gemeinsame Steuer zu einigen. Deutschland zählt ebenfalls dazu; Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) legte hier im Frühjahr einen neuen Vorschlag vor, ohne dass dies den Durchbruch gebracht hätte. Die Gespräche liefen auf Arbeitsebene weiter, sagt ein Ministeriumssprecher.

Im Vergleich zu den früher diskutierten Konzepten ist Scholz' Entwurf jedoch wenig ehrgeizig: Er würde nur den Kauf von Aktien großer Firmen besteuern, nicht aber den Handel mit Derivaten, also bei Spekulanten beliebten Finanzwetten.

Die den Linken nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung hat jetzt berechnet, wie viele Einnahmen den Staaten mit diesem Modell entgehen würden. In der 71-seitigen Studie, die an diesem Donnerstag erscheint, heißt es, die zehn Länder könnten nur insgesamt gut fünf Milliarden Euro Erlöse aus der Steuer pro Jahr erwarten. Führten die Regierungen dagegen wie anfangs angepeilt eine breiter angelegte Variante ein, wäre es mehr als das Dreifache. Und würde die gesamte EU eine weit angelegte Börsensteuer erheben, könnte das sogar 41,5 Milliarden Euro jährlich einbringen. Der Linken-Europaabgeordnete Martin Schirdewan klagt deshalb, dass Scholz' Entwurf "weder gerecht, noch zukunftsorientiert" sei und die Einnahmen der EU nicht wirklich stärke.

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