Süddeutsche Zeitung

Börsengang:Regierung will Bahn noch 2008 privatisieren

Die Bundesregierung will zwar das Schienennetz und die Bahnhöfe der Deutschen Bahn im Eigentum des Staates behalten, sucht für andere Konzernteile aber Investoren. Der SPD dürfte das nicht schmecken.

Klaus Ott und Michael Bauchmüller

Die Bundesregierung will noch in diesem Jahr Teile der Deutschen Bahn privatisieren. Das Schienennetz und die Bahnhöfe sollen im Eigentum des Staates bleiben, für andere Konzernteile werden Investoren gesucht. Dies soll fünf bis zehn Milliarden Euro bringen. Eine Volksaktie, wie die SPD sie fordert, kommt in den neuesten Plänen nicht vor.

Nach Angaben aus Koalitionskreisen arbeitet Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) unter Hochdruck daran, Teile der Bahn noch 2008 an private Investoren zu verkaufen. Die Regierung wolle ein Modell umsetzen, bei dem die Schienenstrecken und Bahnhöfe vollständig im Eigentum des Bundes bleiben. Die Konzernsparten Nah- und Fernverkehr, Gütertransport und Logistik sollen private Mitinhaber bekommen. In einem ersten Schritt wollten Regierung und Bahnvorstand Anteile in Höhe von 25 bis 30 Prozent verkaufen oder an die Börse bringen, hieß es weiter. In Aufsichtsratskreisen der Bahn wird mit einem Erlös zwischen fünf bis zehn Milliarden Euro gerechnet.

Tiefensees Pläne decken sich mit den jüngsten Vorstellungen von Konzernchef Hartmut Mehdorn, sie widersprechen aber einem Beschluss des SPD-Parteitags vom vergangenen Oktober. Die Sozialdemokraten hatten ihre Parteiführung beauftragt, in der Koalition das Modell einer Volksaktie durchzusetzen. Demnach soll der Bund nur Aktien ohne Stimmrecht verkaufen. Dies würde dem Bund die Kontrolle über die Bahn sichern; private Investoren dürften einsteigen, aber nicht mitreden. Nach Angaben aus der Union spielt dieses Modell keine Rolle mehr. Dem wird in der SPD jedoch widersprochen.

Die Unionsfraktion im Bundestag ist mit den neuen Plänen grundsätzlich einverstanden. "Wir haben unsere Zustimmung erteilt", sagte Georg Brunnhuber, verkehrspolitischer Obmann der CDU/CSU im Parlament und Mitglied des Geschäftsführenden Fraktionsvorstandes, der Süddeutschen Zeitung. In der Union gebe es "nur positive Reaktionen". Ausschlaggebend sei, dass das Schienennetz weiter dem Staat gehöre und die Bahn gleichzeitig mehr Geld für jene Sparten bekomme, die nicht unbedingt in öffentlichem Besitz bleiben müssten. "Wir hoffen, dass die SPD zustimmt", sagte Brunnhuber.

Harte Debatten zeichnen sich ab

Aus der SPD-Spitze verlautete, angesichts vieler Bedenken in der Partei gegen eine Privatisierung stünden harte Debatten bevor. Um Ostern herum, also in der zweiten Märzhälfte, könne ein Ergebnis vorliegen. Womöglich sei ein Sonderparteitag nötig, verlautete aus der SPD-Bundestagsfraktion. Wichtig sei die Haltung der Bahngewerkschaften. "Wenn die nicht mitmachen, gibt es keine Privatisierung", sagte ein SPD-Abgeordneter.

Die der SPD nahestehenden Gewerkschaften Transnet und GDBA, bei denen der größte Teil der 230.000 Bahnbeschäftigten organisiert ist, beraten kommende Woche. Sie wollen eine spätere Zerschlagung der Bahn verhindern. Der bestehende Konzernverbund aus Schienennetz und Transportgesellschaften sei die Grundlage für die Tarifverträge, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließen, sagen die Gewerkschaften. Das müsse gewährleistet bleiben.

Laut Brunnhuber könnte der Aufsichtsrat der Bahn im September interessierte Investoren aufnehmen. "Das wäre unser Wunsch", sagt der CDU-Abgeordnete, der dem Kontrollgremium angehört. Gleich danach könne das Geld fließen. Etwa zweieinhalb Milliarden Euro soll die Bahn erhalten, den Rest will die Bundesregierung kassieren.

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Quelle:
SZ vom 9./10.2.2008/mah
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