Börsenboom dank billigem Geld:Scheinblüte in Japan

Yen, Japan, Notenbank

Der Yen wird immer schwächer. So hat es die Regierung gewollt.

(Foto: Reuters)

"Abenomics" nach Plan: An der Börse in Tokio steigen die Aktienkurse, und der Yen wird immer schwächer. Beides ist eine Folge des billigen Geldes. Doch viele Japaner profitieren davon erst einmal nicht - Hedgefonds umso mehr.

Von Harald Freiberger, Frankfurt, und Christoph Neidhart, Tokio

Es ist alles so gekommen, wie es sich Japans Regierung gewünscht hat: Die Währung sinkt und sinkt, die Börse steigt und steigt. Der Yen erreichte in der vergangenen Woche mit einem Kurs von 102 zum US-Dollar den niedrigsten Stand seit viereinhalb Jahren, der Nikkei-Index schloss am Montag mit 14.782 Punkten, dem höchsten Stand seit fünfeinhalb Jahren. Beides ist eine Folge von "Abenomics", der Politik des superleichten Geldes von Premier Shinzo Abe, der im Dezember an die Macht kam. Er wird nicht müde, den eigenen Kurs zu loben. Derweil wachsen gegen die Geldschwemme die Bedenken - im Ausland, aber auch im Inland.

1,4 Billionen US-Dollar (1,08 Billionen Euro) pumpt Japans willfährige Notenbank in knapp zwei Jahren in das Finanzsystem; sie kauft japanische Staatsanleihen, Index- und Immobilienfonds. Die Hoffnung: Banken sollen mit dem Geld mehr Kredite vergeben, Unternehmen sollen mehr investieren, damit die Wirtschaft wächst und schließlich auch Löhne und Preise steigen. Damit soll die Deflation bekämpft werden, seit zwei Jahrzehnten die Geißel der japanischen Wirtschaft. Weil die Preise nicht steigen, halten sich Verbraucher mit dem Konsumieren und Unternehmen mit dem Investieren zurück.

Eine Folge des billigen Geldes ist die Abwertung des Yen. In den vergangenen sechs Monaten hat Japans Währung gegenüber dem US-Dollar fast 30 Prozent verloren. Das wiederum beflügelt die Exportindustrie und damit den Aktienmarkt. Die Regierung sah sich am Wochenende in ihrer Position bestätigt. Die G-7-Staaten zeigten "Verständnis für Japans Position", behauptete Finanzminister Taro Aso. Tokio manipuliere ja nicht den Wechselkurs, es bekämpfe die Deflation. In Südkorea sieht man das anders, auch die Bundesregierung ermahnt Tokio, sich per Geldpolitik keine Exportvorteile zu verschaffen.

Genau damit macht die Regierung ihre Politik den Wählern schmackhaft: Die Yen-Schwäche erlaube es dem Transportkonzern Fuji Heavy, die Exporte in die USA um zehn Prozent zu steigern. Nissan habe die geplante Verlegung einer Fabrik in die USA ausgesetzt, Toyota werde die Inlands-Produktion um zehn Prozent steigern. Wenn der Yen auf dem jetzigen Niveau bleibe, stiegen die Profite der sieben Automobil-Hersteller um drei Milliarden Euro, rechnete die Wirtschaftszeitung Nikkei aus. Die Aktien von Toyota, Fujitsu und Sony legten am Montag um je mehr als drei Prozent zu.

Was die Regierung den Japanern jedoch verschweigt: Der größte Teil dieser Profitsteigerung ist nicht auf höhere Exporte zurückzuführen, sondern auf Auslands-Gewinne, die dank des schwachen Yen höher ausfallen. Nach wie vor sehen die Absatzprognosen auf dem US-Automobilmarkt für Japan düster aus. Die Elektronik-Industrie steckt in ihrer bisher tiefsten Krise.

Exporte machen ohnehin nur 16 Prozent der japanischen Wirtschaft aus. Im Inland kommt der jüngste Aufschwung nicht an. Obwohl die Kassen voll sind, investiert die Industrie kaum im eigenen Land. Die Löhne steigen auch nicht, dafür werden Benzin, Papier und Beton teurer. Solange die Menschen nicht mehr, sondern weniger Geld in der Tasche haben, ist die Wende nicht zu schaffen. Ein Drittel der Jungen findet nur Jobs als Zeitarbeiter, sie leben am Rande des Existenzminimums.

Bisher gibt es nur einen richtigen Gewinner von Abenomics: die ausländischen Investoren. Vor allem Hedgefonds pumpen derzeit enorme Summen in die japanische Börse und treiben damit die Kurse hoch. Zudem steigen sie ins Geschäft mit erstklassigen Immobilien ein. Doch sie sind bekannt dafür, dass sie ihr Geld genauso schnell wieder abziehen. Noch ist Abenomics nur eine Scheinblüte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: