Börsen:Warum eine Rezession immer wahrscheinlicher wird

Börsen: Ob wie hier an der New Yorker Börse oder in Frankfurt: Für Anleger ist es eine Woche zum Vergessen.

Ob wie hier an der New Yorker Börse oder in Frankfurt: Für Anleger ist es eine Woche zum Vergessen.

(Foto: BRYAN R. SMITH/AFP)

Die Aktienkurse brechen über die gesamte Wochen ein. Das Einreiseverbot von Trump für die USA zeigt, wie sehr die Wirtschaft an diesem schwarzen März noch Monatelang leiden wird.

Von Harald Freiberger

Gibt es eine Steigerung von schwarz? Als Anfang der Woche die Börsen wegen des Coronavirus weltweit einbrachen, war von einem "schwarzen Montag" die Rede. Danach blieb es an den Finanzmärkten zwei Tage lang ruhig, doch am Donnerstag kam der nächste Schlag: Schon am Morgen bei der Eröffnung stand der Dax mit sieben Prozent im Minus. Bis zum Börsenschluss rutschten die Kurse um 12,2 Prozent ab und damit noch stärker als am Montag. Dasselbe an der Wall Street in New York: Der Dow-Jones-Index eröffnete mit zehn Prozent im Minus. Wie am Montag wurde der Handel automatisch gestoppt, um die Panik der Anleger einzudämmen. Zum Börsenschluss lag er dann zehn Prozent tiefer.

Die amerikanische Notenbank Fed hatte zwischenzeitlich weitere Hilfen und Liquiditätsspritzen in Aussicht gestellt, konnte den Kursverfall aber auch nicht stoppen. Die Börsianer müssen weit zurückschauen, um einen solch hohen Tagesverlust zu finden: Das Minus im Dax war sogar größer als am 11. September 2001, als in New York die Zwillingstürme einstürzten. Nur beim Börsencrash 1989 brachen die Aktienkurse in Deutschland stärker ein, um 13 Prozent. Der Donnerstag war der schwärzeste Börsentag seit 31 Jahren.

Am Montag war die Kombination aus grassierendem Coronavirus und einbrechenden Ölpreisen für den Kursabsturz verantwortlich. Am Donnerstag war es die überraschende Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, für die meisten europäischen Länder ein Einreiseverbot in die USA zu verhängen. "Das ist eine massive Überreaktion von Trump", sagte Ayush Ansal, Chef-Anleger des Vermögensverwalters Crimson Black. "Die Volkswirtschaften und Finanzmärkte werden den Preis dafür bezahlen müssen." Die Folgen seien noch in Monaten oder Jahren spürbar.

Es wird wahrscheinlicher, dass die Wirtschaft weltweit in die Rezession gerät

Das Einreiseverbot ist eine neue Dimension für die weltweite Wirtschaft. Dass die Folgen der Ausbreitung des Virus schwer wiegen, war bisher schon klar, weil globale Lieferketten unterbrochen sind und das öffentliche Leben in Europa nach und nach zum Erliegen kommt. Ab Freitag darf nun für 30 Tage niemand mehr aus Europa in die USA einreisen, wobei Großbritannien ausgenommen ist. "Reisebeschränkungen sind gleichbedeutend mit geringerer Wirtschaftsaktivität", sagte Stephen Innes, Chef-Anlagestratege des Brokerhauses Axicorp.

Der Handel zwischen den Unternehmen wird allein deshalb schon leiden, weil sich ihre Vertreter nicht mehr persönlich treffen können. Als erstes bekamen es am Donnerstag die Luftfahrt- und Touristikwerte zu spüren. Die Aktien von Lufthansa fielen um 14 Prozent, die des Reiseveranstalters Tui um 18 Prozent, jene der US-Fluggesellschaften Delta, American und United um bis zu 23 Prozent. Auch die Bankenbranche wurde wieder schwer getroffen: Der Kurs der Deutschen Bank sackte um 18,4 Prozent auf unter fünf Euro ab.

Als wäre der Reisestopp nicht genug, kamen am Nachmittag noch wenig aufbauende Neuigkeiten von der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie senkte den Zins nicht, wie von vielen erwartet . Auch an anderen Märkten waren alle Symptome einer Krise zu sehen: Der Preis für Rohöl der Sorte Brent fiel um weitere sieben Prozent auf 33,34 Dollar je Barrel (159 Liter). Der Grund sind die zunehmenden Sorgen um die Weltkonjunktur, während Russland und Saudi Arabien gleichzeitig um Marktanteile kämpfen. Ein Experte prophezeite einen Rückgang auf 20 Dollar bis Jahresende, sollten sich beide Länder nicht einigen.

Gleichzeitig flüchteten Anleger verstärkt in sichere Anlagen. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen fiel um fast 0,05 Punkte auf bis zu minus 0,80 Prozent. Nur die Entwicklung bei der Krisenwährung Gold fiel aus dem üblichen Schema: Normalerweise greifen Anleger zu dem Edelmetall, wenn sie aus Aktien aussteigen, am Donnerstag aber fiel der Goldkurs um rund vier Prozent. Experten begründeten dies damit, dass professionelle Investoren Gold-Bestände verkaufen, um Verluste aus Aktien auszugleichen.

Gleichzeitig wird die Lage der deutschen Industrie schlechter. Die Maschinenbauer erwarten, dass die Produktion 2020 um fünf Prozent sinkt. "Die Ausbreitung des Coronavirus wirft uns spürbar zurück", sagte Verbandschef Carl Martin Welcker. Selbst wenn sich die Lage im zweiten Halbjahr bessere, werde man die Rückgänge nicht mehr wettmachen können. Die Furcht vor einer Rezession und einer Pleitewelle trieb die Kosten für Versicherungen gegen Zahlungsausfälle in die Höhe. Der entsprechende Marktindex notiert so hoch wie seit siebeneinhalb Jahren nicht mehr.

Damit verdichteten sich die Anzeichen, dass es zu einer globalen Rezession kommen könnte. "Die Wahrscheinlichkeit dafür ist inzwischen signifikant gestiegen", sagt Heinz-Werner Rapp, Chef der Fondsgesellschaft Feri. Auch nach dem jüngsten Crash bleibe noch "Raum für weitere Korrekturen". Die aktuelle Börse reflektiere zwar neue Konjunkturrisiken, sei von echten Rezessionsniveaus aber noch deutlich entfernt - was nichts anderes heißt, als dass die Gefahr weiterer schwarzer Tage an der Börse in naher Zukunft sehr groß ist.

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