Börsen:Die Trump-Euphorie an den Finanzmärkten ist vorbei

Activities outside the New York Stock Exchange Tourists and workers outside he New York Stock Exchan

Passanten vor dem Gebäude der New Yorker Börse.

(Foto: imago/Levine-Roberts)
  • Die Bosse der sechs größten US-Banken haben in Millionenhöhe Aktien ihrer eigenen Institute verkauft - ein Zeichen für wachsende Nervosität.
  • Eine zentrale Ursache für die Verunsicherung ist US-Präsident Donald Trump, der die an ihn geknüpften Erwartungen nicht erfüllt.
  • Unklar ist, ob nun wirklich ein Abschwung an den Börsen folgt. Dagegen spricht: Es gibt für Anleger derzeit kaum eine Alternative zu Aktien.

Von Andrea Rexer, Frankfurt, und Markus Zydra

Es ist mittlerweile guter Brauch, dass die Lenker großer Konzerne einen Teil ihres Privatvermögens in Aktien des Unternehmens investieren, bei dem sie arbeiten. So demonstrieren Führungskräfte ihren tiefen Glauben an den zukünftigen Geschäftserfolg, den sie maßgeblich mitverantworten. Wenn nun plötzlich die Bosse der sechs größten US-Banken die Aktien ihres Instituts verkaufen, sollte man daher aufhorchen.

Die Manager der Bank of America, Wells Fargo, JP MorganChase, Citigroup, Goldman Sachs und Morgan Stanley hätten 2017 bisher netto über neun Millionen ihrer Aktien verkauft, meldete die Financial Times am Montag. Ein solches Misstrauensvotum gegen die eigene Adresse gibt es selten. Warum machen die Manager Kasse? Glauben sie etwa, dass die Aktienmärkte drehen und die jahrelange Rallye zu einem Ende kommt?

Die Unsicherheit der Finanzmarktteilnehmer ist derzeit mit Händen zu greifen. Die Linien der Aktienkurse der größten Indizes weltweit wirken, als hätte sie jemand mit zittriger Hand gezeichnet: Immer wieder gab es in den vergangenen Wochen kleinere Rückschläge, auf die eine leichte Erholung folgte. Sind das die Vorboten eines Abschwungs, oder zumindest einer deutlichen Korrektur?

Eine zentrale Ursache für die Verunsicherung ist US-Präsident Donald Trump. Nach seinem Wahlsieg überschlugen sich die Märkte mit Erwartungen, die Kurse stiegen auf Rekordhöhen. Doch langsam tritt Ernüchterung ein: Bis jetzt hat er keines seiner vollmundigen Versprechen eingelöst. Vor allem bei seinem wichtigsten wirtschaftspolitischen Projekt, den Steuersenkungen, hat er nicht geliefert. Stattdessen stellte er vergangene Woche sogar in Aussicht, dass er es im Ernstfall auch auf einen "Government Shutdown", also den Stillstand der Administration, ankommen lassen würde, wenn der Kongress die Gelder für seine Mexiko-Mauer nicht freigeben will. Wie unberechenbar er sein kann, zeigte er bereits im Konflikt mit Nordkorea. Trump, so glauben viele Beobachter, ist eine Belastung für die Finanzmärkte geworden.

Und dennoch spricht viel gegen eine bevorstehende Korrektur. Einer der wichtigsten Gründe: Das Verhalten der Notenbanken. "Die Trump-Rallye wird von den Notenbanken in eine Anti-Trump-Rallye überführt", glaubt etwa Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Je weniger wirtschaftspolitische Wachstumsimpulse von Trump kommen, desto weniger zügelnd muss die amerikanische Notenbank eingreifen. Denn wenn die Wirtschaft nicht läuft, besteht keine Gefahr zu hoher Inflation oder gar Überhitzung.

Anleger müssen sich nicht von der Nervosiät der Banker anstecken lassen

Eine weitere Zinserhöhung der US-Notenbank Federal Reserve, vor der die Finanzmarktteilnehmer so Angst haben, wird damit unwahrscheinlicher. Derzeit liegt die Leitzinsspanne in den USA gerade einmal bei 1,0 bis 1,25 Prozent, was historisch sehr niedrig ist. Grundsätzlich gilt: Je niedriger die Zinsen, desto attraktiver die Aktien.

Dass eine größere Korrektur unwahrscheinlich ist, liegt auch an den mangelnden Alternativen: wohin sollten die Investoren ihr Geld legen, wenn nicht in Aktien? Anders als vor der Finanzkrise werfen festverzinsliche Papiere kaum Rendite ab. Das ist eine Folge der lockeren Geldpolitik und des damit verbundenen historisch niedrigen Zinsniveaus. "Zinspapiere werfen nichts mehr ab, also müssen Investoren ihr Geld in Aktien stecken", sagt Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Landesbank.

Gegen einen Crash sprechen seiner Einschätzung nach auch die weltweiten Wachstumserwartungen: "Wir rechnen damit, dass die Weltwirtschaft wieder stärker wächst, wir gehen von 3,6 Prozent aus", so Hellmeyer. Er verweist allerdings auf "krasse Bewertungsunterschiede" an den internationalen Aktienmärkten. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) europäischer Aktien liege bei 13, das am US-Markt bei 19. Das bedeutet, dass europäische Aktien billiger sind als amerikanische, da das KGV den Aktienkurs einer Firma ins Verhältnis zu seinem prognostizierten Gewinn setzt. "Bei dieser Divergenz ist es ganz natürlich, dass Investoren bei US-Aktien etwas zurückhaltender sind", so Hellmeyer.

Die alten Regeln gelten nicht mehr

Für einen Unterschied in den Erwartungen in den USA und in Europa sorgen die Wechselkurse. Der Euro setzt gerade seinen Höhenflug fort und kostet fast 1,20 Dollar. Noch vor sechs Monaten hatte sich der Kurs noch in Richtung Parität - also ein Dollar für einen Euro - bewegt. Für die USA ist das eine positive Nachricht. "Durch die Abwertung des Dollar können US-Firmen wieder mehr exportieren. Das stärkt die Ertragslage der US-Unternehmen und damit deren Aktienkurse", sagt Chefvolkswirt Hellmeyer.

Unter dem Strich müssen die Anleger nach Meinung vieler Fachleute also keine Angst vor einem unmittelbar bevorstehenden Crash haben. In der Vergangenheit waren die großen Aufwärtsphasen zwar oft nach sieben oder acht Jahren vorbei. Doch die alten Regeln gelten nicht mehr. "In der Vergangenheit haben stets die Notenbanken durch Zinserhöhungen eine Hausse beendet. Das würden sie heute nicht wagen. Das wäre Beihilfe zum Konjunkturmord", sagt Experte Halver. Er geht davon aus, dass die Märkte noch länger in einer stabilen Seitenlage verharren. Anleger müssen sich demnach also nicht von der Nervosität mancher Bankenbosse anstecken lassen.

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