Süddeutsche Zeitung

Börsen:Die Angst vor dem Crash ist zurück

  • Bei der Deutschen Bank ist die Lage dramatisch. Aber auch die Aktienkurse anderer internationaler Kreditinstitute befinden sich im freien Fall.
  • Die Investoren zweifeln ganz grundsätzlich an den Geschäftsmodellen vieler Banken. Die Erinnerungen an die Finanzkrise sind geweckt.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Wenn der Vorstand zwei Mal binnen 24 Stunden Durchhalteparolen an Investoren sowie Mitarbeiter richtet und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Solidaritätsadressen Richtung Frankfurt schickt: Dann muss die Lage der Deutschen Bank so ernst sein wie nie seit den Tagen nach dem Crash des US-Rivalen Lehman im Herbst 2008. Die Versuche des größten Geldhauses des Landes, die steile Talfahrt seiner Aktien abzubremsen, wirken jedenfalls zunehmend hilflos.

Die erste Beruhigungspille verabreichte der Vorstand am Montagabend, als er den Besitzern spezieller Anleihen zusicherte, für die fälligen Zinszahlungen aufkommen zu können - eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Am Dienstag legte die Bank nach: Vorstandschef John Cryan appellierte an die Belegschaft, Ruhe zu bewahren. Der Vorstand habe diskutiert, was die Kursschwankungen und abgeschwächten Wachstumsprognosen für die Bank bedeuteten, schrieb er an die Mitarbeiter. Nichts Schlimmes angeblich: "Sie können Ihren Kunden mitteilen, dass die Bank angesichts ihrer Kapitalstärke und ihrer Risikoposition absolut grundsolide ist". Am Nachmittag dann sprang Schäuble bei. Er mache sich keine Sorgen um die Bank.

Es half alles nichts: Anstatt zu beruhigen, steigerten die Botschaften aus den Frankfurter Doppeltürmen eher noch die Nervosität der Anleger. Böse Erinnerungen an die Finanzkrise wurden wach, an jene Wochen im Jahr 2008, als Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück vor laufenden Kameras versicherten, dass die Spareinlagen deutscher Banken sicher sind.

"Die Mitteilung der Deutschen Bank ist ein Zeichen der Schwäche"

Wie schlimm ist die Lage, dass die Bank Selbstverständliches betonen muss? Sehr schlimm offenbar, denn bereits Ende Januar hatte Finanzvorstand Markus Schenck versichert, alle Anleihen bedienen zu können. Dass die Bank Zinsen zahlt, ist eine absolute Selbstverständlichkeit, andernfalls könnte sie sich auf absehbare Zeit kaum frisches Kapital besorgen.

Allein: Der Markt hatte die Worte ganz offensichtlich nicht geglaubt. Die Kurse der betroffenen Anleihen jedenfalls notierten zuletzt deutlich unter ihrem Nennwert. Konkret geht es dabei um Papiere für Profianleger, deren Zinsen ausfallen können, sobald das Kapital der Bank unter einen bestimmten Schwellenwert fällt. Die Versicherungsprämien, die Investoren zahlen müssen, um sich gegen einen Ausfall der Papiere abzusichern, stiegen an.

Weil am Montag zudem die Aktie der Deutschen Bank im Sog des Gesamtmarktes um zehn Prozent in die Tiefe sackte, nachdem sie bereits seit Jahresanfang keine andere Richtung kennt, sah das Geldhaus offenbar keinen anderen Ausweg, als Durchhalteparolen zu verschicken. "Die Mitteilung der Deutschen Bank ist ein Zeichen der Schwäche. Doch nichts zu sagen, wäre noch schlechter gewesen", sagte Dieter Hein, Bankanalyst bei Fairesearch. Denn es habe schließlich ausreichend Anlass zur Sorge gegeben. Der Markt allerdings beruhigte sich nur kurz: Am Dienstagnachmittag gaben die Kurse von Deutscher Bank und Commerzbank um mehr als vier Prozent nach.

An den Märkten wird nun spekuliert, dass die Bank für mehrere Milliarden Euro Anleihen zurückkauft, um das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen. Fest steht: Die Erinnerung an die Finanzkrise sind geweckt, denn auch die Titel anderer europäischer und US-Banken befinden sich in einem Ausverkauf, wie ihn die Anleger lange nicht mehr sahen. Abermals angeführt von Bankaktien fiel der Dax am Dienstag zeitweise auf 8773 Punkte - auf den tiefsten Stand seit Oktober 2014. Hinter den Anlegern liegt einer der schwächsten Jahresauftakte in der Dax-Geschichte. Reihenweise notieren die Banken unter dem Wert ihres Eigenkapitals. Das bedeutet, dass die Anleger weitere Milliardenverluste und Kapitalerhöhungen befürchten. Selbst die Aktie des italienischen Bankkonzerns Unicredit, der am Dienstag solide Zahlen vorlegte, verlor erneut deutlich. All das mag übertrieben sein, doch tatsächlich zweifeln die Investoren derzeit grundsätzlich an den Geschäftsmodellen europäischer Banken. Dabei geht es um die nicht enden wollende Ära niedriger Zinsen, die das Geldverdienen erschwert, aber auch um das plötzlich schwächelnde Wirtschaftswachstum, vor allem in China.

Das könnte dazu führen, dass mehr Firmen pleite gehen und Banken ihre Kredite abschreiben müssen. Plötzlich in den Fokus gerückt ist aber auch die strenge Regulierung, die zwar geholfen hat, die Banken sicherer zu machen, aber zugleich ihr Kerngeschäft stranguliert, weil die Banken immer mehr Eigenkapital vorhalten müssen.

Steht eine neue Finanzkrise bevor?

Als wäre all das nicht schon schlimm genug, kam zuletzt noch der Verfall der Ölpreise hinzu. Der ist an sich gut für die Konjunktur, weil Treibstoff billig zu haben ist. Gleichwohl sehen die Investoren derzeit vor allem die Gefahren, etwa, dass große Rohstofffirmen Bankrott gehen und Banken mitreißen könnten.

Und noch etwas treibt die Anleger und Finanzaufseher um. Wenn der Aktienkurs einer Bank abstürzt, leidet nicht nur der Ruf. Es gibt noch ein weiteres Problem: Denn sollten die Banken Verluste machen, müssen sie ihr Kapital auffüllen. Bei sehr niedrigen Aktienkursen ist das jedoch nur schwer möglich.

Dass nun - acht Jahre nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers - eine neue Finanzkrise bevorsteht, halten die meisten Beobachter trotzdem noch für übertrieben, schließlich sind die Banken heute widerstandsfähiger. Sie haben ihr Eigenkapital aufgestockt und erhalten zur Not frische Liquidität über die Zentralbanken. Zudem haben die Bankenaufseher die Institute mehrfach Stresstests unterzogen.

Dennoch: Die Erinnerungen an das Jahr 2008 sind so lebendig wie nie zuvor.

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SZ vom 10.02.2016
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