Börse:Labern, bis der Kurs fällt

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"Fünf Prozent Rendite, das schaffen wir locker!": Überzeugend zu schwafeln gilt als wichtige Managerqualität. (Foto: Daniel Ingold/imago)

"Das nehm' ich mal mit": Warum Ausflüchte auf kritische Fragen Konzerne an der Börse etwas kosten können.

Von Victor Gojdka

Als Tesla-Chef Elon Musk der Geduldsfaden riss, grätschte er einem Bankanalysten direkt in die Frage hinein. Die Wortmeldungen auf der Tesla-Telefonkonferenz seien "so trocken", ätzte Musk. "Sie bringen mich um." Einem anderen Bankexperten machte Musk dann gar hämische Vorhaltungen: "Langweilige Holzkopf-Fragen sind nicht cool", setzte Musk noch hinterher.

Was passieren kann, wenn Firmenlenker Fragen derart brüsk zurückweisen oder auf ihren Analystenkonferenzen schlicht ins Schwafeln geraten, haben nun Forscher des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) herausgefunden: Die Bankleute setzen dann seltener ihre Prognosen für das Unternehmen nach oben. Außerdem belastet Laberei den Aktienkurs - und Anleger müssen für Versicherungen gegen einen Kursverfall obendrein mehr bezahlen. "Schwafeln bringt den Unternehmen nichts", sagt IWH-Forscher Fabian Wöbbeking.

Mit ihrer Analyse dechiffrieren die Forscher aus Halle die rhetorischen Tricks der Unternehmer: Wollen sie sich aus der Affäre ziehen, greifen sie im Wesentlichen zu drei Methoden. Manchmal weisen sie Fragen einfach ab, wie Tesla-Chef Elon Musk im Jahr 2018. Mal geraten sie ins Schwafeln, loben die interessante Frage des Analysten, nur um dann nicht ganz unbeabsichtigt auf rhetorische Abwege zu geraten. Beliebt ist jedoch auch die Methode, die Frage ganz selbstverständlich "ernst zu nehmen", dann "mal etwas zu sagen", sie "ganz oben zu notieren", um dann - nun ja - "später darauf zurückzukommen".

Die Analystencalls sind ein eingespieltes Wall-Street-Ritual, eines der wichtigsten Hochämter der Börse. Erst referieren Chefinnen oder Chefs zur Unternehmenslage, dann kommt in aller Regel die Analystenschar mit ihren Fragen dran. Was Manager auf diesen Konferenzen enthüllen, kann Kurse kollabieren lassen - oder plötzlich in die Höhe katapultieren.

Künstliche Intelligenz enttarnt die Manager, die viel reden, aber wenig sagen

Wenn nicht gerade Musk pöbelt, sind die Konferenzen eher dröge. Das Forscherteam aus Halle hat deswegen nicht etwa Tausende Calls der Firmen aus dem US-Leitindex S&P 500 online nachgehört, sondern ein Computerprogramm mit allen Mitschriften gefüttert. Bei Sprachmustern wie "weiß ich nicht", "eine interessante Frage" oder "Informationen später nachreichen", schlug die künstliche Intelligenz an. Bei besonders geringer Dichte an Finanzvokabeln schlussfolgerte das Computerprogramm: Hier wird viel geredet, aber wenig gesagt.

Die Folgen solcher Leerplätze sind beträchtlich. Nach vielen ausweichenden Antworten scheinen Analystinnen nicht mehr ausreichend Vertrauen zu haben, das Unternehmen auf ihrer Kaufliste hochzustufen. Gleichzeitig belasteten abgewiesene und umschiffte Fragen am Tag des Calls tendenziell auch den Kurs. Und Absicherungen gegen fallende Kurse kosten mehr, weil größere Unsicherheit stärkere Schwankungen erwarten lässt.

Die Forscher selbst gerieten in ihrer Arbeit übrigens kaum ins Labern. Dass sie in ihrem Forschungspapier das Wesen der Frage als "illokutionären Akt" beschreiben, der "Informationen vom Adressaten extrahieren" wolle? Leserinnen und Leser dürften es als akademische Poesie abbuchen.

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