Börse:Falsche Aktie springt um 2900 Prozent

Börse: Die Firma ging an der Börse Nasdaq in den Handel. Pech nur: Manche haben das nicht mitbekommen.

Die Firma ging an der Börse Nasdaq in den Handel. Pech nur: Manche haben das nicht mitbekommen.

(Foto: STRF/STAR MAX/IPx)

Eigentlich wollten Anleger an der Börse die Aktien des Start-ups Luminar ordern. Doch viele griffen daneben - und erweckten eine scheintote Aktie zum Leben.

Von Victor Gojdka, Frankfurt

Vielleicht ist es fast schon ironisch, dass Unternehmer Austin Russel den Autos der Zukunft ausgerechnet das genaue Hinsehen lehren will. Seine Laserscanner sollen die Augen selbstfahrender Autos werden, Distanzen erkennen und eine 3-D-Karte des Raumes erstellen. Vielleicht sollte Firmengründer Russel das genaue Hinsehen jedoch nicht nur Autos beibringen, sondern auch seinen Aktionären: Denn beim Börsenstart des Unternehmens griffen viele Anleger erstmal richtig daneben.

Kaum ein Unternehmen sorgte in den vergangenen Tagen für so viele Diskussionen an der US-Technologiebörse Nasdaq wie Russels Start-up Luminar. In der Nasdaq-Niederlassung am New Yorker Times Square dröhnten beim Börsengang treibende Bässe, am Ende rieselten rote Konfettifetzen von der Decke. Am ersten Tag schoss der Kurs an der Börse um knapp 30 Prozent nach oben - manche Interessierte gingen jedoch leer aus.

Statt auf Luminar Technologies mit ihren Lasersensoren hatten einige Aktionäre die Titel eines Namensvetters gekauft: Sie griffen bei den Aktien der Luminar Media Group zu, einem völlig unbekannten Unternehmen aus dem kanadischen Toronto. In der Spitze schoss der Kurs von Luminar Media von bloß zehn Cent gar auf drei Dollar nach oben. Manche Anleger fuhren so einen Gewinn von 2900 Prozent ein, binnen vier Stunden wohlgemerkt. Danach fiel der Kurs der Zwillings-Aktie jedoch wie ein kaltes Soufflé wieder in sich zusammen und notiert aktuell bloß noch bei 14 Cent.

Zuletzt arbeitete die falsche Firma an interaktiven Viren-Karten

An der Börse haben die meisten noch nie etwas von Luminar Media gehört, die letzten Nachrichten auf der Internetseite des Unternehmens stammen von 2016, der letzte Bericht an die Wertpapieraufsicht SEC aus 2018. Dabei könnten die Geschäfte von Luminar Media heute relevanter sein denn je: Berichten zufolge hat das Unternehmen wohl an interaktiven Karten gearbeitet, die die Verbreitung von Viren zeigen sollen. Wie viele Anleger auf den Börsen-Doppelgänger hereinfielen, ist nicht gänzlich klar. Handelsstatistiken zufolge wechselten am Tag des Luminar-Börsengangs 5,5 Millionen der falschen Aktien die Hände.

Solche Börsenpatzer leisteten sich Anleger bereits mehrfach, vor allem wenn es um neue Aktien am Parkett geht. Als das soziale Netzwerk Snap 2017 sein Börsendebut gab, orderten manche Aktionäre stattdessen die Titel der Datingapp Snap Interactive. Als 2013 Twitter seinen Sprung ans Parkett wagte, kauften manche Titel der Heimelektronikkette Tweeter Home Entertainment. Und 2019 wollten Anleger eigentlich Titel des Videokonferenz-Dienstes Zoom kaufen, griffen stattdessen aber beim Pekinger Telekomzubehörverkäufer Zoom Technologies zu.

Bei Zooms Namensvetter schritt die Wertpapieraufsicht ein

In der Corona-Pandemie hatten manche Sparer bei ihren Anlagegeschäften offenbar so zittrige Finger, dass sie den gleichen Fehler noch einmal begingen. Als der Videokonferenzdienst Zoom im Frühjahr plötzlich in aller Munde war, kauften viele wieder: die Telekommunikations-Lieferanten von Zoom Technologies aus Peking. Ende März wurde es der US-Wertpapieraufsicht dann zu bunt, sie stoppte kurzerhand den Handel mit Aktien des unbekannten Namensvetters aus China. Denn obwohl die Manager des Unternehmens offenbar in Peking sitzen, ist das Unternehmen in der US-Steueroase Delaware gemeldet - und hat seit 2015 keine Geschäftsberichte mehr vorgelegt.

Dabei können Anleger beim Aktienkauf eigentlich schnell auf Nummer sicher gehen. Statt in der Ordermaske ihres Wertpapier-Brokers den Klarnamen des Unternehmens einzugeben, können sie schlicht eine internationale Kennziffer verwenden. Diese sogenannte Isin besteht aus zwölf Stellen, bei denen auf zwei Länderbuchstaben zehn Ziffern folgen. Diese Nummer gilt weltweit und löste in Deutschland die sechsstellige Wertpapier-Kennnummer ab. Zumindest in dieser Hinsicht hat das Start-up Luminar mit seinem Börsengang die Anleger nun erleuchtet.

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