Börse in Riad:Geld willkommen

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Die Börse in Riad soll der Welt Zugang zur saudischen Wirtschaft geben - zum Beispiel der Deutschen Bank. (Foto: Fayez Nureldine/AFP)

Saudi-Arabien will sich wirtschaftlich öffnen. Dazu gehört ein Börsensegment, für das sich auch Deutsche interessieren. Das Land verspricht sich davon mehr Unabhängigkeit vom Öl und ausländisches Geld für seine Firmen.

Von Paul-Anton Krüger, Riad

Als Mohammed bin Abdullah el-Kuwaiz mit dem Studium fertig war, nahm sein Vater ihm ein Versprechen ab: Er solle nicht für die Regierung arbeiten, verlangte der Vater, der selber Staatsbediensteter in Saudi-Arabien war. Sein Sohn arbeitete also für die Beratung McKinsey und gründete später seine eigene Firma für Finanzdienstleistungen. Er war erfolgreich und unabhängig.

Doch vor sechs Monaten brach er das Versprechen an den Vater. Nach 20 Jahren im Privatsektor ließ er sich von der Regierung rekrutieren. Mohammed bin Abdullah el-Kuwaiz ist jetzt der Vizechef des Verwaltungsrats der saudischen Finanzaufsicht. Er führt de facto die Geschäfte; Präsident Mohammed bin Abdullah al-Jadaan ist zugleich Finanzminister.

El-Kuwaiz erzählt seine Geschichte, um klar zu machen, dass sein Land seit dem Thronwechsel 2015 in Riad "grundlegend die Richtung und die Geschwindigkeit gewechselt hat", mit der sich Änderungen in der lange ebenso verschlossenen wie verkrusteten Wirtschaft vollziehen. Als jüngstes Zeichen dafür führt er die Eröffnung eines zweiten Marktsegments neben dem Tadawul an der Börse an; Sonntag war der erste Handelstag des Nomu-Parallelmarktes. Von der Idee ist der vergleichbar mit einer Mischung aus deutschem M-Dax und S-Dax: Hier sollen kleinere und mittlere saudische Unternehmen, oft in Familien- oder Privatbesitz, einen Zugang zum Kapitalmarkt erhalten - und zugleich die Welt Zugang zur saudischen Wirtschaft. "Saudi-Arabien war lange eine Insel, jetzt suchen wir die Integration mit der Welt", sagt el-Kuwaiz.

Die Öffnung der lange weitgehend abgeschotteten saudischen Börse ist Teil der sogenannten "Vision 2030", einer Strategie, mit der die Regierung die Wirtschaft aus der Abhängigkeit vom Öl lösen will. Treibende Kraft dahinter ist der erst 31 Jahre alte Königssohn und stellvertretende Kronprinz, Mohammed bin Salman, der neben seinem Amt als Verteidigungsminister auch den Vorsitz im Rat für Wirtschaft und Entwicklungsangelegenheiten bekleidet, eine Art Wirtschaftskabinett.

Mittelfristig soll der Wert der an den Börsen gehandelten Unternehmensanteile der Wirtschaftsleistung Saudi-Arabiens entsprechen; derzeit liegt die Quote nur bei 57 Prozent, die Marktkapitalisierung erreicht zwischen 450 und 500 Milliarden Dollar.

"Die Ironie ist, dass sich viele Teile der Welt zunehmend abschotten."

Der größte Brocken dabei wäre natürlich der angekündigte Teil-Börsengang der staatlichen Ölfirma Saudi-Aramco, den el-Kuwaiz in der zweiten Hälfte des Jahres 2018 erwartet. Zu Zahlen äußert er sich nicht, nur dazu, dass der Tadawul der primäre Handelsplatz wird - wegen der Größe des Börsengangs aber ein oder mehrere sekundäre Märkte im Ausland gesucht werden.

Fünf Prozent von Aramco sollen zunächst zum Kauf stehen, das entspräche geschätzt einem Wert von 100 Milliarden Dollar.

Beitragen soll aber auch das neue Marktsegment Nomu: Mit Aktien von sieben Firmen begann der Handel, der nur qualifizierten Investoren zugänglich ist. Bis 2020 sollen aber mehr als 300 Unternehmen an den Börsen des Landes gelistet sein. Derzeit sind 174 im Tadawul-Index vertreten. Den größten Teil des Zuwachses erwartet die Aufsicht aber im neuen Markt, dessen Zugangsvoraussetzungen weniger streng sind. Mehr als 70 weitere Firmen haben sich für den Index beworben. Sie müssen mindestens ein Fünftel ihrer Anteile an die Börse bringen und eine Marktkapitalisierung von zehn Millionen Rial aufweisen, umgerechnet 2,5 Millionen Dollar.

"Wir sehen großes Interesse bei institutionellen Anlegern, aber auch bei strategischen Investoren", sagt el-Kuwaiz. Anfragen deutscher Firmen gebe es aus den Branchen Chemie, aber auch Transport und Logistik. Die Deutsche Bank sei einer der ersten institutionellen Anleger gewesen, der sich für den Nomu-Markt habe registrieren lassen. "Die Ironie ist, dass sich viele Teile der Welt zunehmend abschotten, während wir uns öffnen", sagt el-Kuwaiz, der damit die Hoffnung verbindet, dass der saudische Kapitalmarkt künftig deutlich mehr ausländische Anleger anziehen wird.

Liegt deren Anteil derzeit gerade einmal bei knapp über vier Prozent, soll er bald zehn Prozent übersteigen. Ein ordentlicher Zuwachs würde sich schon ergeben, wenn Großanleger Saudi-Arabien künftig berücksichtigen, wenn sie in aufstrebende Märkte investieren. "Da haben wir bislang nicht einmal an der Oberfläche gekratzt", sagt el-Kuwaiz; Tadawul steht derzeit an Platz 23 der Börsen der Welt und ist mit Abstand der größte Marktplatz im Nahen Osten. Mehrheitsbesitz an saudischen Firmen wird es für Ausländer aber auch in Zukunft nicht geben: Anteilseigner außerhalb des Königreichs können zusammen höchstens 49 Prozent der Aktien eines Unternehmens erwerben, individuelle Anleger nicht mehr als zehn Prozent.

© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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