Börse:Die Welt wackelt, die Wirtschaft protzt

Bankenviertel in Frankfurt

Ist es wieder soweit? Tanzen die Investoren (im Bild das Frankfurter Bankenviertel), während die Welt am Abgrund wandelt?

(Foto: dapd)

2016 war ein Jahr der schlechten Nachrichten - doch an den Börsen wird gefeiert. Privatanleger sollten nun die Chance nutzen, zu investieren.

Kommentar von Harald Freiberger

Manchmal könnte man schon glauben, dass die Leute an der Börse verrückt geworden sind. Im Jahr 2016 reihte sich eine Schreckensnachricht an die andere. Es fing an mit den Sorgen um einen Wachstumseinbruch in China, setzte sich fort mit dem Brexit, dann kam der niedergeschlagene Militärputsch in der Türkei, überall Terror, Flüchtlingskrise, Zulauf für Populisten, schließlich die Trump-Wahl. Die Welt ist 2016 ein noch unwirtlicherer Platz geworden, das subjektive Gefühl der Menschen ist geprägt von tiefer Unsicherheit.

Und was machen die Leute an der Börse? Sie feiern. Der Deutsche Aktienindex erreicht in diesen Tagen einen Jahreshöchststand, der US-Index Dow Jones notiert so hoch wie nie. Dabei hat man den Eindruck, dass die Blase in jeder Minute des Tages platzen könnte. Unweigerlich fühlt man sich erinnert an die Worte des früheren US-Notenbankchefs Alan Greenspan, der Ende der 1990er-Jahre von einer "irrationalen Übertreibung" an den Börsen sprach. Man weiß auch, was danach kam: Die Internet-Blase platzte in den Jahren 2000 bis 2002 wirklich, es folgte eine schwere Wirtschaftskrise.

Ist es nun wieder so weit? Tanzen da die Investoren, während die Welt am Abgrund wandelt? Nein, diesmal ist es anders. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die das Verhalten der Börsianer sogar sehr rational erscheinen lassen. Der wichtigste davon ist die Bewertung der Aktien, die im Gegensatz zur Blase um die Jahrhundertwende nicht übertrieben ist. Im Verhältnis zu den Gewinnen, die Firmen machen, sind Aktien gerade in Europa zwar nicht mehr billig, aber auch nicht teuer.

Man darf nicht vergessen, dass das entscheidende Kriterium für eine Aktie die künftigen Gewinnaussichten des Unternehmens sind. Und die sind nicht so schlecht, wie es manchmal erscheint. Während eine schlimme politische Nachricht auf die andere folgt, erholt sich die Weltwirtschaft fast heimlich und leise. Experten rechnen für 2017 inzwischen mit einem weltweiten Wirtschaftswachstum von deutlich über drei Prozent, das sich vor allem aus den aufstrebenden Ländern speist. Selbst die Vorhersagen für Europas Wirtschaft sehen positiv aus, während in der öffentlichen Wahrnehmung weiter Brexit und Schuldenkrise dominieren.

Aktien sind derzeit nicht teuer

Und schließlich gibt es noch den Faktor Inflation: Die Preise ziehen gerade deutlich an, die Bundesbank rechnet für Europa in nicht zu langer Zeit schon wieder mit bis zu zwei Prozent Inflation. Das wird Aktien künftig noch attraktiver machen. Denn Unternehmen können die Preise und damit ihre Gewinne schnell erhöhen, Aktien bieten damit einen Inflationsschutz. Die Renditen von Anleihen steigen dagegen nicht so schnell wie die Inflation, sodass sie für Investoren noch unattraktiver werden.

Aktien sind nicht teuer, die Weltwirtschaft ist in guter Verfassung, die Preise ziehen an - das ist die Mischung, aus der der derzeitige Börsenboom gemacht wird. Die größte Gefahr scheint zu sein, dass die Kurse in einer Jahresendrally zu sehr nach oben schießen, was die Gefahr birgt, dass sie danach einbrechen. Die politischen Risiken treten im Vergleich dazu in den Hintergrund, zumal inzwischen klar zu sein scheint, dass Trump keine Politik machen wird, die den Unternehmen massiv schadet.

Was folgt daraus für Privatanleger? Dass sie sich nicht irremachen lassen und die Chancen ausnutzen sollten, die Aktien bieten, am besten durch stetes Sparen und Investieren in Firmen aus verschiedenen Branchen und Regionen. Merke: Trotz aller Krisen dreht sich die Welt inklusive ihrer Wirtschaft immer weiter.

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