Finanzmärkte:Was hinter dem Ausverkauf an den Börsen steckt

Dudley Devine

Händler an der Wall Street: Seit Anfang Oktober geht es mit Aktien fast nur noch nach unten, die Technologiebörse Nasdaq verlor 15 Prozent.

(Foto: AP)
  • Schon seit sieben Wochen herrscht Ausverkauf an der Börse. Besonders stark ist der Kursverfall bei Technologie-Aktien.
  • Mancher Beobachter fühlt sich schon an das Jahr 2000 erinnert, als an der Börse die Internet-Blase platzte. Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied.
  • Heute stehen die Technologiekonzerne für Milliardengewinne. Als damals die Kurse abstürzten, brach bei vielen Unternehmen die Finanzierung schnell zusammen.

Von Harald Freiberger und Helmut Martin-Jung

Einen "schwarzen Oktober" gab es in der Börsengeschichte schon öfter. Dass sich ihm aber gleich ein "schwarzer November" anschließt, kommt nicht alle Jahre vor. Schon seit sieben Wochen herrscht Ausverkauf an der Börse. In den vergangenen Tagen verschärfte er sich. Der Dax näherte sich am Dienstag der 11 000-Punkte-Marke, erholte sich am Tag darauf aber leicht. In den USA hat der Dow-Jones-Index alle Gewinne seit Jahresanfang wieder eingebüßt.

Besonders stark ist der Kursverfall bei Technologie-Aktien. Die New Yorker Technologiebörse Nasdaq fiel seit Anfang Oktober um 15 Prozent, sein deutsches Pendant, der Tec-Dax, um 18 Prozent. Und am schlimmsten traf es jene US-Aktien, die zu den großen Profiteuren von Internet und Digitalisierung gehörten. Sie werden unter dem Kunstwort FAANG zusammengefasst, gebildet aus den Anfangsbuchstaben von Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google (Alphabet). Sie waren immens gestiegen, nun, da es mit Technologieaktien abwärts geht, führen sie die Liste der Verlierer an: Facebook steht 39 Prozent unter dem Höchststand in diesem Jahr, bei Amazon und Apple sind es 28 Prozent, bei Netflix 36 Prozent, bei Google 20 Prozent.

Mancher Beobachter fühlt sich schon an das Jahr 2000 erinnert, als an der Börse die Internet-Blase platzte. In den Jahren davor hatte es eine beispiellose Euphorie gegeben. Technologiewerte stiegen in extreme Höhen. Doch als sich herausstellte, dass die Erwartungen zu hoch waren, brach alles zusammen. Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied zwischen den Jahren 2000 und 2018. "Die Geschäftsmodelle der Unternehmen waren damals noch nicht reif genug", sagt Ali Masarwah von der Fonds-Ratingagentur Morningstar. Als die Kurse abstürzten, brach bei vielen Unternehmen die Finanzierung zusammen, sie verschwanden.

Die Situation heute ist grundlegend anders. "Der größte Unterschied zu 2000 sind die Bewertungen, also das Verhältnis von Kurs und Gewinn", sagt Lars Kreckel, Aktienstratege beim großen Londoner Vermögensverwalter Legal & General Investment Management. Apple, Facebook & Co. machen hohe Milliarden-Gewinne. "Damals war es mehr Fantasie als Realität, heute ist es umgekehrt", sagt Kreckel. Und die Gewinne dürften auch weiter überdurchschnittlich wachsen. Der technologische Fortschritt sei noch lange nicht ausgeschöpft. Deshalb sieht der Experte den Kursrutsch der vergangenen Wochen eher als Korrektur, nicht aber als Trendwende.

FAANG-Aktien waren zuvor extrem gestiegen, Apple zum Beispiel um das 17-Fache, Amazon um das 29-Fache, Netflix um das 100-Fache. "Durch die Korrektur der vergangenen Wochen ist das nun bereinigt", sagt Kreckel. Man könne nicht mehr von einer Überbewertung der Tech-Aktien sprechen. Er vertraut darauf, dass die Aktien in den nächsten Jahren attraktiv sein werden. "Wir überlegen derzeit eher, den Sektor noch einmal aufzustocken, als das, was wir haben, zu verkaufen." Allerdings bevorzugt er es, möglichst viele verschiedene Aktien aus dem Bereich zu kaufen, um das Risiko zu verteilen.

Die Probleme der Tech-Konzerne sind sehr unterschiedlich

Der Blick auf die FAANG-Aktien zeigt, dass die Probleme sehr unterschiedlich sind. Facebook hat enorm zu kämpfen mit dem Verlust an Vertrauen, der entstanden ist durch die Diskussion über Hass-Postings, die Beeinflussung von Wahlen und die Praxis des Konzerns, sein intimes Wissen über die Nutzer für gezielte Werbung zu verwenden. Jüngere wenden sich ab von Facebook, in Europa verliert die Plattform Nutzer. Viel wird davon abhängen, ob es dem Konzern gelingt, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Andererseits gehören auch die beliebten Plattformen Instagram und Whatsapp zu Facebook.

Apple lebt nicht nur von iPhones, sondern auch von anderen Diensten: Musik- und Videoangeboten, bis hin zu Speicherplatz in der Cloud. Der Konzern hat es zudem geschafft, hohe Preise durchzusetzen, er erzielt die höchsten Margen aller Hersteller. Da neue Smartphones aber nicht mehr um Längen besser sind als ihre Vorgänger, ist ein Sättigungseffekt eingetreten, den das Unternehmen spüren wird - wie sehr, wird sich nach dem Weihnachtsgeschäft zeigen.

Der Videostreaming-Plattform Netflix ist bisher mit einem Mix aus lizenzierten und selbstproduzierten Inhalten erfolgreich. Künftig will das Unternehmen verstärkt auf Eigenproduktionen setzen. Besonders Amazon könnte Netflix gefährlich werden, da der Konzern mit seinem Prime-Angebot bereits eine relativ große Auswahl an Video-Inhalten im Portfolio hat.

Google kämpft wie Facebook um sein Image

Amazon selbst ist wohl eher im Rahmen der Sippenhaft von Tech-Aktien abgestraft worden. Der Konzern baut eigentlich auf solidem Fundament auf. Der Cloud-Dienst ist Marktführer und immens profitabel. Dass Amazon Gewinne schreibt, liegt am Erfolg dieses Segments, das noch immer zweistellig wächst. Beim Handel setzt Amazon seine gewohnte Politik fort: Wachstum, Wachstum, Wachstum, auch wenn das auf Kosten des Gewinns geht.

Google kämpft wie Facebook um sein Image. Die eigenen Mitarbeiter protestieren gegen Pläne, in China eine Suche nach Pekinger Zensurvorgaben anzubieten - und gegen die fehlende Diversität im Unternehmen. Die EU hat eine Rekord-Buße gegen den Konzern ausgesprochen wegen dessen unlauteren Methoden beim Handy-Betriebssystem Android. Wenigstens hat man die Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium aufgegeben. Die Forderung nach einer Zerschlagung des Konzerns, der immense Mengen an Daten sammelt, wird immer wieder laut.

Das zeigt, dass man FAANG-Aktien nicht über einen Kamm scheren kann. Für den gesamten Technologie-Sektor ist jedoch auch der Münchner Vermögensverwalter Georg von Wallwitz optimistisch: "Bei den Unternehmen, die keine hauseigenen Probleme haben und nur mit dem Markt gefallen sind, kann man durchaus wieder zukaufen", sagt er und nennt als Beispiele: Amazon, Scout24, Amadeus IT.

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