Boeings 787 bleibt am Boden:Leicht, sparsam, gefährlich

Wenn ein Unternehmen zu innovativ ist: Bei der Entwicklung des Dreamliners wollte Boeing unter allen Umständen technisch modern sein und hat dafür Risiken ignoriert. Das rächt sich nun - doch nicht nur Boeing wird sich Fragen gefallen lassen müssen.

Ein Kommentar von Jens Flottau

Spätestens seit eine Boeing 787 der japanischen Fluglinie All Nippon Airways am Mittwoch notlanden musste, war klar, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Der Zwischenfall mit einer kokelnden Batterie und Rauch in der Kabine war der zweite binnen weniger Tage. Flugzeugteile, die während des Fluges in Brand geraten können, sind ein absolutes Tabu. Sicherheit muss immer vorgehen.

Insofern ist es konsequent, dass die US-Luftfahrtbehörde FAA reagiert und vorläufig Flüge mit der als Dreamliner bekannten Maschine verboten hat. Dem Vorbild folgen nun alle anderen Behörden, weltweit ist die derzeit rund 50 Flugzeuge umfassende 787-Flotte am Boden. Es ist noch nicht abzusehen, wie schwer es für Boeing sein wird, die Lage in den Griff zu bekommen. Im schlimmsten Fall müssen die Batterien durch einen anderen Typ ersetzt werden, ein neues Zertifizierungsverfahren muss folgen, all dies wird Wochen und Monate dauern und Boeing Unsummen an Geld und viel Reputation kosten.

Boeing hat Probleme ignoriert

Lehren kann man aus dem Desaster aber schon jetzt viele ziehen. So wird immer deutlicher, dass Boeing in der Absicht, den neuen Langstreckenjet technisch möglichst modern und zudem besonders leicht zu machen, weit über das Ziel hinausgeschossen ist. Die erstmals eingesetzten Lithium-Ionen-Batterien sind leistungsfähig und leicht - ideal also für den Flugverkehr. Sie sind aber auch leicht entflammbar, kaum zu löschen (schon gar nicht während des Fluges) - und damit eben für den Luftverkehr völlig ungeeignet. Boeing hat dieses Problem bei der Entwicklung der 787 ignoriert, was sich nun rächt.

Ground staff works under an United Airlines' Boeing Co's 787 Dreamliner plane after its flight from Los Angeles, at New Tokyo international airport in Narita

Ein Mitarbeiter der Fluglinie United Airlines untersucht das Triebwerk eines Dreamliners nach dessen Ankunft in Los Angeles: Auch dieses Flugzeug wird in den nächsten Wochen nicht abheben

(Foto: REUTERS)

Dabei sah alles zunächst so gut aus: Vieles sollte elektrisch funktionieren an Bord der 787, das Anlassen der Triebwerke etwa, auch so erreichte Boeing den um 20 Prozent geringeren Treibstoffverbrauch. Lange Zeit war Boeing vorgeworfen worden, zu wenig innovativ zu sein. Erst 2012 hat Boeing, auch dank des Dreamliner, erstmals seit Jahren wieder mehr Maschinen ausgeliefert als der europäische Konkurrent Airbus. Und im Prinzip ist die 787 auch ein sehr gutes Flugzeug. Doch die Probleme mit den Batterien gehen weit über die üblichen Kinderkrankheiten hinaus.

Weniger ist manchmal mehr

Das Desaster wirft auch Fragen zur Rolle der FAA auf. Die Behörde ist zwar nur für die Kontrolle der amerikanischen Luftfahrt zuständig, de facto gibt sie aber weltweit den Ton an. Die FAA hat all jene Entscheidungen von Boeing in den vergangenen Jahren mitgetragen, die nun die Krise verursacht haben. Schon lange, eigentlich immer, steht die Behörde in dem Verdacht, der Industrie zu nahe zu stehen, um noch unabhängig urteilen zu können. Wenn es noch eines Beweises dafür bedurfte, dann hat ihn nun die Boeing 787 geliefert. Die Lehren: Die FAA muss ihre Unabhängigkeit wiedergewinnen, Boeing muss lernen, dass weniger manchmal mehr ist.

Sollte übrigens jemand bei Airbus Schadenfreude empfinden, so wäre dies ein schwerer Fehler: Auch der neue Langstreckenjet A350 sollte bislang Lithium-Ionen-Batterien bekommen.

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