Im Streik zehntausender Arbeiter bei Boeing zeichnet sich nach mehr als einem Monat eine Lösung ab. Der kriselnde Flugzeugbauer bietet nun unter anderem eine Einkommenserhöhung von 35 Prozent über eine Laufzeit von vier Jahren. Die Gewerkschaft IAM will ihre rund 33 000 Mitglieder am kommenden Mittwoch über den Vorschlag abstimmen lassen. Ob die Beschäftigten das Angebot annehmen, ist unklar. Der Ausstand kostet das Unternehmen nach Einschätzung von Experten etwa eine Milliarde Dollar pro Monat.
Das neue Angebot sei mit Unterstützung von US-Arbeitsministerin Julie Su ausgehandelt worden, teilte die Gewerkschaft mit. Der Vorschlag sieht außerdem eine Einmalzahlung von 7000 Dollar (rund 6400 Euro) vor - sowie den Erhalt von Bonuszahlungen, die ursprünglich abgeschafft werden sollten. Durch den am 13. September begonnenen Streik im Nordwesten der USA wurde die Produktion von Boeings Bestseller-Modell 737 sowie des Langstreckenjets 777 lahmgelegt. Der bereits mit Problemen kämpfende Konzern gerät dadurch noch stärker unter Druck.
Boeing hatte den streikenden Arbeitern zuletzt eine Einkommenserhöhung von 30 Prozent über vier Jahre angeboten. Nachdem die Gewerkschaft sich darauf nicht eingelassen hatte, zog Boeing das Angebot zurück. Die IAM hatte auch kritisiert, dass Boeing sich mit dem Angebot direkt an die Arbeiter wandte, statt erst mit ihr zu verhandeln. Die Boeing-Arbeiter hatten im vergangenen Jahrzehnt mehrere Nullrunden akzeptiert und wollten nun eine deutliche Erhöhung erreichen. Das erste Boeing-Angebot mit einem Einkommensplus von 25 Prozent und dem Wegfall von Bonuszahlungen lehnten sie mit einer Mehrheit von fast 95 Prozent ab.
Vor einer Woche kündigte Boeing an, zehn Prozent der Arbeitsplätze zu streichen. Boeing-Chef Kelly Ortberg nannte keine genaue Stellenzahl - aber nach jüngsten Angaben vom Jahreswechsel hatte der Flugzeugbauer gut 170 000 Beschäftigte. Das Unternehmen müsse die Belegschaft an die finanzielle Realität anpassen, erklärte Ortberg. Unterdessen berichtete das Wall Street Journal, der Konzern plane, eine kleine Verteidigungseinheit zu veräußern, die Überwachungsgeräte für das US-Militär herstellt. Demnach bat der neue Boeing-Chef Kelly Ortberg in jüngsten Meetings die Leiter von Unternehmenseinheiten, den Wert dieser Einheiten für die Firma darzulegen.
Boeing steckt nach einer Pannenserie seit Jahren in der Krise. Zuletzt geriet das Qualitätsmanagement noch stärker in den Fokus, nachdem im Januar bei einer so gut wie neuen Boeing 737-9 Max von Alaska Airlines im Steigflug ein Rumpffragment herausgebrochen war.