Luftfahrt:Boeing beginnt die Aufholjagd

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Eine Boeing 737 Max wird in Renton, Washington, gebaut. (Foto: Jennifer Buchanan/via REUTERS)

Die Geschäftszahlen für das Jahr 2024 waren für den amerikanischen Luftfahrtkonzern furchtbar. Konzernchef Kelly Ortberg verbreitet trotzdem Optimismus. Seine Botschaft scheint anzukommen.

Von Jens Flottau, Frankfurt

So ein Ergebnis wäre normalerweise genügend Anlass für Panik an der Börse. Ein Verlust von fast zwölf Milliarden Dollar für das Jahr 2024 bei einem Umsatz von 66 Milliarden, fast vier Milliarden davon im letzten Quartal. Aber was den amerikanischen Flugzeughersteller Boeing angeht, so sind die Anleger inzwischen offenbar so was von hart im Nehmen, dass sie auch Horrorzahlen kaum mehr beeindrucken können. Sie haben sich offenbar dafür entschieden, sich von den optimistischen Zukunftsprognosen des neuen Konzernchefs Kelly Ortberg bezirzen zu lassen – die Aktie gewann zeitweilig fast fünf Prozent.

2024 war für Boeing ein Jahr zum Vergessen. Anfang Januar des vergangenen Jahres war bei einer 737 der Alaska Airlines kurz nach dem Start in Portland eine Türfüllung herausgeflogen. Niemand wurde ernsthaft verletzt und die schwer beschädigte Maschine konnte am Ausgangsort wieder landen. Aber der Vorfall, ausgelöst, weil Mitarbeiter nach einer Reparatur während der Entmontage das Teil nicht mehr ordnungsgemäß befestigt hatten, offenbarte das ganze Ausmaß der Mängel in der Produktion und war der Auslöser für drastische Entscheidungen. Der damalige Konzernchef David Calhoun musste gehen, die Aufsichtsbehörde Federal Aviation Administration (FAA) entsandte ganze Horden von Inspektoren in das Boeing-Werk Renton und ließ den Hersteller nur unter strengen Auflagen eine begrenzte Zahl von Flugzeugen bauen. Im Herbst legte ein Streik der Mechaniker die Produktion für rund zwei Monate lahm – Boeing war insgesamt reif für einen kompletten Neustart.

US-Luftaufsichtsbehörde bremst noch die Produktion

Die Erwartungen der Wall Street, Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten sind mittlerweile entsprechend gering, alle sind schon froh, wenn es keine weiteren schlechten Nachrichten gibt. Aber der neue Konzernchef Kelly Ortberg, der im August 2024 übernommen hat, schaffte es sogar, ein bisschen Optimismus zu verbreiten. Ortberg verkündete, Boeing werde im Laufe des zweiten Halbjahres auf die von der FAA zugelassene maximal zugelassene Produktionsrate von 38 737 MAX pro Monat zurückkehren. Und wenn die FAA es erlaube, werde es Boeing sogar möglich sein, noch mehr Flugzeuge auszuliefern. Zum Vergleich: Konkurrent Airbus kam im vergangenen Jahr im Durchschnitt monatlich auf etwa 50 Maschinen und will in den nächsten beiden Jahren den Output um fünfzig Prozent steigern, denn die Kunden müssen mittlerweile bis Anfang der 2030er Jahre auf ihre neuen Flugzeuge warten.

Der relative Optimismus in Sachen Produktion ist für die Kunden die wichtigste Nachricht. Gerade erst sah sich die Billigfluglinie Ryanair wieder einmal gezwungen, das für dieses Jahr geplante Wachstum einzubremsen, weil Boeing nicht genügend Flugzeuge liefern kann. Lufthansa wartet alleine auf 15 Boeing 787, die fertig montiert vor dem Boeing-Werk in Charleston, South Carolina, parken und darauf warten, dass die FAA die Sitze zulässt. Ortberg sagte, er hoffe, das Problem werde Boeing im Laufe des Jahres lösen können. Zeit gekauft hat sich Boeing längst über neue Schulden. Das Szenario einer existenzbedrohenden Finanzkrise ist derzeit vom Tisch.

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Kommentar von Jens Flottau

„Es ist noch früh, aber die ersten Anzeichen sind positiv,“ sagte Ortberg mit Blick auf die angestrebte Wende bei Boeing. Auch die Lieferanten, die bei Airbus immer wieder für Engpässe sorgen, sind für Boeing derzeit angesichts der immer noch relativ geringen Produktion kein großes Problem, bis inklusive der Rate 38. Im Laufe des Jahres will Boeing auch den wichtigsten Lieferanten Spirit AeroSystems übernehmen, der in Wichita den Rumpf der 737 baut und für viele der Qualitätsprobleme verantwortlich war.

Veränderung der Unternehmenskultur

Neben den Verbesserungen im Tagesgeschäft arbeitet Ortberg auch daran, die Kultur im Unternehmen zu verändern. Er wolle eine „Kultur der Einheit und Verantwortlichkeit“ fördern, so Ortberg. Bei Jahresgesprächen der Mitarbeiter werde künftig eine wichtige Rolle spielen, wie sie ihre Ziele erreicht haben, und nicht nur ob. Gleichzeitig lauft der Arbeitsplatzabbau, den der Boeing-Chef schon im vergangenen Jahr angekündigt hatte. Es sei wichtig, die Verwaltung und Bürokratie zu reduzieren, um schneller zu werden, argumentierte er.

Für Lufthansa und Emirates ist ein Plan Boeings wichtig, der sich offiziell nicht ändert: Ortberg hat bestätigt, dass das neue Langstreckenflugzeug 777X, auf das die beiden Airlines seit Jahren sehnsüchtig warten, nun wirklich 2026 erstmals ausgeliefert werden soll. Daran hatten zuletzt immer mehr Insider gezweifelt.

Der Konzernumbau wird auch darauf hinauslaufen, dass sich Boeing von einigen Tochtergesellschaften trennt. Womöglich ist darunter auch der Flugkarten-Produzent Jeppesen. Aber Ortberg machte deutlich, dass er keine Verkäufe plant, die den Konzern in seiner Struktur verändern. „Wir planen nicht, den Baum zu fällen“, sagte er. Die Entscheidungen zum künftigen Portfolio sollen in den nächsten ein bis eineinhalb Jahren fallen. Und wenn alles so läuft, wie sich Ortberg das vorstellt, wird Boeing dann auch längst die Aufholjagd auf Airbus aufgenommen haben. Und vielleicht auch bald mal wieder schwarze Zahlen schreiben.

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