Süddeutsche Zeitung

Luftfahrt:Boeing bekommt die Probleme mit dem 787 nicht in den Griff

Zehn Jahre ist es her, dass Boeing den ersten 787-Langstreckenjet ausgeliefert hat. Seither plagen das Programm Pannen und Produktionsmängel und den Hersteller Milliarden an Zusatzkosten.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Immerhin der Name ist schon einmal geklärt. Wenn die Lufthansa ihre erste neue Boeing 787-9 übernehmen wird, dann wird das Flugzeug auf den Namen Berlin getauft. Solche Namen zu vergeben hat eine lange Tradition. Willy Brandt taufte erstmals 1960 eine Boeing 707 auf den gleichen Namen und zuletzt flog ein mittlerweile ausgemusterter Airbus A380 als "Berlin" um die Welt. Auch die erste Strecke für den neuen Jet steht fest: Er wird zunächst zwischen Frankfurt und Toronto pendeln.

Die Frage ist nur ab wann. Geplant ist, dass Lufthansa 2022 fünf der Maschinen übernimmt. Doch vor gut einem Jahr entdeckten Techniker zum ersten Mal Fertigungsmängel an Boeings derzeit meistverkauftem Langstreckenflugzeug, winzige Spalten zwischen den Rumpfsektionen aus Kohlefaser, die allerdings größer waren, als erlaubt. Über tausend bereits ausgelieferte 787 sind von den Mängeln betroffen. Schon coronabedingt hatte Boeing 2020 bis Oktober nur 53 der Maschinen ausgeliefert, danach aufgrund der Produktionsfehler keine einzige mehr. Im laufenden Jahr waren es gar nur 14 und seit Juni sind die Lieferungen wieder ganz gestoppt.

Produktionsfehler dürften die Auslieferung weiter verzögern und Milliarden kosten

Nun ist ein internes Memo der amerikanischen Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) bekannt geworden, von dem zuerst das Wall Street Journal und die Seattle Times berichtet haben. Dem Schreiben zufolge gibt es ein neues Problem. Mitsubishi Heavy Industries - für den Bau der 787-Tragflächen zuständig - hatte zunächst kleine Verunreinigungen des Faserverbundwerkstoffes mit Teflon entdeckt, die während des Produktionsprozesses entstanden sind. Später meldeten auch andere Lieferanten, die das Leitwerk und den Rumpf bauen, den gleichen Fehler. In einigen Fällen sei die Verbindung zwischen den verunreinigten Teilen deshalb nicht mehr so stark wie von Boeing vorgeschrieben.

Die gute Nachricht aus Sicht des Herstellers: Es besteht weder wegen der Spalten noch wegen der verunreinigten Stellen unmittelbare Sicherheitsbedenken. Die beiden schlechten: Es steht zu befürchten, dass das Material schneller altert und damit aufwändige Reparaturen früher als erwartet notwendig werden. Und Boeing debattiert offenbar hinter den Kulissen weiterhin mit der FAA darüber, wie die Probleme beseitigt werden können, sprich: es ist unklar, wann die 787 wieder ausgeliefert werden. Die Kosten für Reparaturen und Entschädigungen, die die Kunden einfordern, dürften erneut in die Milliarden gehen.

Mittlerweile ist klar, dass Boeing sich mit den Neuerungen übernommen hat

Für Boeing ist die 787 mittlerweile ein nicht enden wollendes Drama. Erst 2011, mehr als drei Jahre später als ursprünglich geplant, wurde die erste Maschine ausgeliefert. Doch auch zehn Jahre später hat der Hersteller die Produktion des ersten weitgehend aus Kunststoff gebauten Großraumjets noch nicht im Griff. Mal gab es Probleme mit den Batterien - 2013 galt deswegen ein zeitweiliges Flugverbot, dann mit den Rolls-Royce-Motoren. Mittlerweile ist klar, dass Boeing sich mit den Neuerungen übernommen hat: Die 787 war nicht nur technologisch ein riesiger Schritt voran, Boeing vergab zugleich viel größere Anteile am Flugzeug an Lieferanten, die den neuen Aufgaben nicht gewachsen waren.

Aber auch intern hat Boeing Fehler gemacht. Vor allem aus Kostengründen hat der Konzern die Endmontage komplett vom Traditionsstandort Everett, wo es genügend erfahrene Techniker und Ingenieure gab, nach Charleston/South Carolina verlagert, wo das Know-How erst wieder neu aufgebaut werden muss.

Dabei ist die 787 bei Airlines und Passagieren durchaus beliebt: Die Fluggesellschaften schätzen den niedrigen Verbrauch und die große Reichweite, die Fluggäste den vergleichsweise hohen Luftdruck, die großen Fenster und geräumigen Gepäckfächer. Lufthansa hat 25 Maschinen bestellt. Sie sollen vor allem ältere und deutlich unwirtschaftlichere Jets wie den Airbus A340 ablösen.

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