Es ist erst wenige Wochen her, dass sich der amerikanische Senat in einer Anhörung mit den Qualitätsmängeln in der Produktion von Boeing beschäftigt hat. Es ging um den Rumpf des Langstreckenjets 787 und Vorwürfe des Whistleblowers - und Boeing-Ingenieurs - Sam Salehpour, unsachgemäß zusammengefügte Sektionen würden langfristig Sicherheitsrisiken verursachen. Nun steht die Boeing 787 erneut im Fokus: Mitarbeiter haben Protokolle gefälscht, die die Produktion dokumentieren sollen.
Die beiden Fälle haben nichts direkt miteinander zu tun, denn nun geht es darum, wie Boeing die Tragflächen mit dem Rumpf verbindet. Auch dies ist ein extrem heikler Vorgang, bei dem es auf große Präzision ankommt. Nachdem die Flügel montiert sind, sieht das Verfahren diverse Tests vor. Ein Mitarbeiter hat Boeing zufolge mitbekommen, dass diese vorgeschriebenen Prüfungen bei einigen Flugzeugen einfach ausgelassen wurden. In den Protokollen stand dennoch, dass sie stattgefunden hätten. Eine interne Untersuchung bestätigte den Verdacht.
Der Vorfall deutet darauf hin, dass Boeing mittlerweile immerhin Ernst macht mit seinem Vorsatz, Verstöße gegen Qualitätsstandards schnell offenzulegen und rigoros zu ahnden. Der Hersteller meldete das Problem der Aufsichtsbehörde Federal Aviation Administration (FAA), die nun selbst die Details untersucht. Andererseits zeigt er auch, wie desaströs die Lage in der Boeing-Produktion ist. Wichtige Tests nicht zu machen und diese in den Protokollen anschließend trotzdem als erledigt abzuhaken, ist ein äußerst gravierendes Vergehen, das Boeing in größte Schwierigkeiten mit der FAA bringen kann. Es stellt sich außerdem die Frage, ob Mitarbeiter auch an anderer Stelle ähnliche Kontrollen einfach ausgelassen haben. Seit dem Drama um den Beinahe-Absturz einer 737-9 von Alaska Airlines Anfang Januar, bei dem Produktionsmängel eine zentrale Rolle gespielt haben, steht Boeing mehr denn je im Fokus der FAA und der amerikanischen Politik.
Bereits ausgelieferte Flugzeuge sollen weiter fliegen dürfen
In einem Schreiben an die Mitarbeiter, das Boeing nun auch veröffentlicht hat, macht 787-Programmchef Scott Stocker deutlich, dass "Boeing so ein Verhalten nicht akzeptieren wird". Das Unternehmen werde "schnelle und ernste" Konsequenzen ziehen. Die unterlassenen Checks stellen Stocker zufolge aber angeblich kein unmittelbares Sicherheitsrisiko dar.
Allerdings bedeuten sie neue Verzögerungen in der Produktion. Boeing muss zunächst feststellen, wie viele Maschinen betroffen sind. Diejenigen, die bisher nicht ausgeliefert worden sind, werden im Werk Charleston zurückgehalten und müssen nun außer der Reihe überprüft werden. Bereits ausgelieferte Flugzeuge sollen weiter fliegen dürfen. Die zusätzliche Arbeit dürfte aber auch die Produktion insgesamt weiter ausbremsen. Boeing hatte schon vor Wochen bestätigt, dass der geplante Hochlauf bei der 787 langsamer ausfallen wird als geplant. In den ersten drei Monaten des Jahres hat Boeing 13 Maschinen dieses Typs an Kunden übergeben, geplant ist ein Hochlauf auf zehn Maschinen pro Monat im kommenden Jahr. Auch die Lufthansa könnte von den Verzögerungen betroffen sein, sie wartet auf insgesamt 34 weitere Boeing 787. Fünf Maschinen sind derzeit bei ihr bereits im Einsatz.