Süddeutsche Zeitung

Flugverkehr:Boeing bessert nach

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Von Jens Flottau, Frankfurt

Boeing und die amerikanische Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) ziehen Konsequenzen aus zwei Unfällen mit Maschinen des Typs Boeing 737 Max . Der Flugzeughersteller stellte am Mittwoch Details eines Software-Updates vor, das ähnliche Unfälle verhindern soll. Die FAA kündigte Änderungen bei der Zulassung von neuen Flugzeugen an. FAA-Chef Dan Elwell schrieb in einem Statement, die Herangehensweise seiner Behörde werde sich "weiterentwickeln." Elwell sollte am Mittwoch vor einem Unterausschuss des US-Senates auftreten.

Mit den angekündigten, aber im Detail noch nicht bekannten Änderungen, zieht die FAA die Konsequenzen aus der Kritik an der Zulassung der Boeing 737 Max. Die Behörde hatte offenbar die Genehmigungsverfahren weitgehend an Boeing delegiert und dabei Fehler übersehen.

Boeing wollte das Flugzeug mit so wenig Aufwand wie möglich zulassen, obwohl der Hersteller mit dem Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS) eine neue Funktion in der Flugsteuerung einführte, die Fluggesellschaften und Piloten bis zuletzt weitgehend unbekannt war. Die 737 Max sei "entwickelt worden, so dass sie wie alle anderen 737 fliegt," so Mike Sinnett, Chef der Produktentwicklung bei Boeing Commercial Airplanes. Das Flugverhalten bei hohem Anstellwinkel unterscheide sich aber leicht.

Seit der vorvergangenen Woche gilt ein weltweites Flugverbot für die "Max"

MCAS steht im Verdacht, bei den zwei Abstürzen von 737 -Max-Maschinen Ende Oktober 2018 und am 10. März 2019 eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Bei den Unfällen von Jets der Lion Air und Ethiopian Airlines waren 346 Menschen ums Leben gekommen. Seit der vorvergangenen Woche gilt ein weltweites Flugverbot für die Max, dem sich die FAA als letzte große Aufsichtsbehörde angeschlossen hatte.

Boeing hatte ebenfalls für den Mittwoch rund 200 Vertreter von Fluggesellschaften eingeladen, um ein Software-Update vorzustellen, mit dessen Entwicklung das Unternehmen nach dem Lion-Air-Absturz begonnen hatte. MCAS drückt die Nase des Flugzeuges nach unten, wenn ein Sensor einen zu hohen Anstellwinkel erkennt.

Das System bezieht seine Daten bislang nur von einem Sensor und ist im Falle des Lion-Air-Unglücks offenbar aufgrund falscher Daten angesprungen. Die Piloten versuchten mehr als zwölf Minuten, gegen MCAS anzukämpfen, wussten aber nicht, wie sie es hätten abschalten können.

Sinnett stellte MCAS als eine Weiterentwicklung einer Steuersoftware dar, die es auch schon beim Vorgängermodell Next Generation gegeben habe. Bei der Max habe sie aber größere Anstellwinkel eingeschlossen. Der Boeing-Manager betonte, dass die Piloten immer "die Kontrolle übernehmen können."

Das Update soll nun die Wirkung von MCAS beschränken, sodass die Piloten wirksam gegensteuern können, auch wenn sie die Software nicht ganz außer Funktion nehmen. Außerdem soll es die Daten künftig von mindestens zwei Sensoren beziehen. Wenn der angegebene Anstellwinkel sich um mehr als 5,5 Grad unterscheidet, schaltet sich MCAS für den Rest des Fluges ab. Ein Signal auf dem Bildschirm werde die Piloten warnen, wenn die Daten sich unterscheiden. Airlines würden ausführlich über die Änderungen informiert, für Piloten werde es neue Unterlagen für das Training geben.

Boeing hat Elwell zufolge bereits am 21. Januar, also sieben Wochen vor dem Ethiopian-Unfall, der FAA das Software-Update vorgestellt. Seither haben mehrere Flüge stattgefunden, auf denen die Wirkweise demonstriert wurde. Auch den Airlines wollte Boeing am Mittwoch mittels Simulator die neue Software zeigen. Allerdings zeichnet sich derzeit ab, dass es noch mehrere Monate dauern könnte, bis die Max wieder fliegen kann.

Die FAA steht unter Druck, dieses Mal keine Fehler zu begehen und sicherzustellen, dass MCAS dieses Mal den Sicherheitsanforderungen genügt. Der demokratische Kongressabgeordnete Peter DeFazio, der den Ausschuss für Verkehr- und Infrastruktur leitet, forderte bereits, die von Boeing vorgeschlagenen Änderungen müssten nicht nur von der FAA, sondern auch von einer unabhängigen Expertengruppe untersucht werden. Da auch international das Vertrauen in die FAA massiv gelitten hat, haben Aufsichtsbehörden wie die European Aviation Safety Agency und Transport Canada Civil Aviation (TCCA) angekündigt, die neue Version unabhängig von der FAA zu überprüfen. Auch Boeing rechnet offenbar mit einem langem Verfahren: Die neue MCAS-Version werde "genauer untersucht, als jede andere Funktion zuvor," glaubt Sinnett.

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SZ vom 28.03.2019
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