Flugzeugabsturz:Boeing entschuldigt sich ein Jahr nach dem Absturz

Dennis Muilenburg

Dennis Muilenburg beim Untersuchungsausschuss des US-Senats

(Foto: Andrew Harnik/AP)
  • Auf den Tag ein Jahr nach dem ersten Absturz einer Boeing 737 MAX, bei dem 189 Menschen ums Leben kamen, gibt Boeing-Chef Muilenburg Fehler zu.
  • Doch die Kritik an Muilenburg wächst. Er, der seit 1985 im Unternehmen ist, könne keine Kurswende umsetzen.

Von Jens Flottau

In der vergangenen Woche gab es ein paar Leute, die ganz genau zu wissen glaubten, was Dennis Muilenburg jetzt tun werde: zurücktreten. Warum um alles in der Welt sollte er sich das antun? Am Dienstag und Mittwoch vor gleich zwei Ausschüssen des amerikanischen Senats aufzutreten, sich zwei Tage lang abwatschen zu lassen für die Fehler rund um die beiden Abstürze der Boeing 737 MAX, die seinen Konzern in die größte Krise der Firmengeschichte gestürzt haben? Und all das am Jahrestag des Absturzes der Lion-Air-Maschine, bei dem 189 Menschen ums Leben gekommen waren?

Muilenburg aber scheint sich vorgenommen zu haben, die Sache jetzt durchzuziehen, und der Boeing-Verwaltungsrat scheint ihn noch gewähren zu lassen. Das Ziel ist: Boeing, die Sicherheitskultur und interne Verfahren so zu verändern, dass ein Desaster wie jene der 737 MAX nie wieder passieren kann. Er selbst, der 55-jährige Konzernchef, der nie für ein anderes Unternehmen gearbeitet hat, will es richten, mögen ihn Weggefährten noch so sehr als "Roboter" verspotten, der nie echte Gefühle zeigen könne.

Muilenburgs taktischer Plan war spätestens klar, seit Boeing am Montagabend die Rede verteilte, die er vor dem Ausschuss halten würde. Mit seinem Auftritt will Muilenburg die Stimmung wenden, und das Dokument zeigt, wie das geschehen soll. Mitgefühl zeigen, Fehler eingestehen. Denn eine falsch konstruierte Flugsteuersoftware namens MCAS (Maneuvering Characteristics Augmentation System) war die Hauptursache der beiden Abstürze der Lion Air und der Ethiopian Airlines mit 346 Toten. Seit März gilt deswegen ein weltweites Flugverbot für die MAX, und dieses wird nach aktuellem Stand wohl erst Anfang kommenden Jahres aufgehoben.

Dennis Muilenburg

Angehörige der Opfer der beiden Flugzeugabstürze zeigen während der Anhörung Muilenburgs Fotos ihrer Verwandten.

(Foto: AP)

"Wir wissen, wir haben Fehler gemacht", sagt Muilenburg nun. Am Jahrestag des Absturzes wolle er betonen, "wie sehr es uns leid tut". Die Tragödien würden "uns antreiben, alles zu tun, um unsere Flugzeuge (...) sicherer zu machen." Und: "Wir haben gelernt und lernen weiter aus diesen Unfällen." Allein das ist eine Wende in der bisher von vielen als katastrophal eingeschätzten Kommunikation Boeings, denn lange haben sich Muilenburg und seine Anwälte gewunden, irgendwelche Schuld zuzugeben, stattdessen das Können der Piloten zumindest indirekt angezweifelt - nicht ganz zu Unrecht übrigens. Nachdem nun aber Indonesien den mehr als 320 Seiten langen Abschlussbericht zum Lion-Air-Crash veröffentlich hat, lässt sich Boeings Verantwortung ohnehin nicht mehr abstreiten.

Muilenburg tut nun sogar das, was er sonst so gar nicht mag - er wird sehr persönlich. Er sei auf einem Bauernhof in Iowa aufgewachsen und habe dort mit seinen Geschwistern Kühe gemolken und Heu gemacht. Dann, während des Studiums, habe ihm Boeing ein Praktikum angeboten, und er sei mit dem Auto den ganzen Weg bis Seattle über die Rocky Mountains gefahren. Jenseits der Berge eröffnete sich ihm eine faszinierende neue Welt, die er bis heute nicht verlassen hat.

Viele zweifeln genau deswegen daran, dass er der Richtige ist für die Veränderungen, die bei Boeing nötig seien. Kann einer, der seit 1985 bei dem Unternehmen arbeitet, die Kultur über Jahrzehnte verinnerlicht hat und sie in den letzten Jahren als Konzernchef maßgeblich in Richtung Gewinnmaximierung verändert hat, nun glaubwürdig einen Kurswechsel vollziehen? Muilenburg betont, Boeing habe ein neues Gremium installiert, das sich um das Thema Sicherheit kümmert, aber es ist nur intern besetzt. Der einzige hochrangige Manager, der seinen Job verloren hat, ist Kevin McAllister. Der Chef der Zivilflugzeugsparte war erst seit drei Jahren an Bord und hatte mit der MAX-Zulassung wenig zu tun. Muilenburg verlor seinen Posten als Chairman und ist nun nur noch Vorstandschef. Bleibt es dabei, wird er es angesichts seiner Lebensgeschichte verschmerzen können.

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