BNP und Deutsche Bank:Warum macht dieses Geldhaus 110 Mal mehr Gewinn als die Deutsche Bank?

A man walks past a BNP Paribas bank office in Madrid

Filiale der französischen Bank BNP Paribas.

(Foto: Juan Medina/Reuters)
  • Die Deutsche Bank steckt in der Krise. Gerade einmal 20 Millionen Euro verdiente das größte deutsche Geldhaus im vergangenen Quartal.
  • Eine französische Bank macht es besser, zum Beispiel weil sie ihr Risiko besser streut. Können die Deutschen sich etwas abschauen?

Von Leo Klimm, Paris und Meike Schreiber, Frankfurt, Paris/Frankfurt

Jean-Laurent Bonnafé ist ein stiller Genießer. Der Chef von BNP Paribas sitzt am Donnerstag in der Pariser Zentrale seiner Bank und erläutert mit üblicher Zurückhaltung das etwas erstaunliche Quartalsergebnis seines Hauses. Die BNP-Zentrale passt zu Bonnafé - kein protziger Turm, wie man ihn von anderen Großbanken kennt, sondern ein unscheinbares Gebäude in einer Seitenstraße zwischen Louvre und Oper. Nur für einen Moment legt Bonnafé die Zurückhaltung ab: "Das Quartal war sehr gut, vor allem, wenn man uns mit den Wettbewerbern vergleicht." Dies ist aber auch das Äußerste, was Bonnafé über europäische Rivalen - deren wichtigster die Deutsche Bank ist - ausspricht. Der ungerührte Blick, mit dem er es sagt, wirkt allerdings wie eine unausgesprochene ironische Frage: "Ist irgendwas?"

Was soll schon sein. Die ganze europäische Finanzbranche kämpft mit dramatischen Auswirkungen der Niedrigzinsen, mit Börsenturbulenzen, mit dem Brexit, mit geopolitischen Unwägbarkeiten. Das hat sich diese Woche in den Bilanzen der erfolgsverwöhnten spanischen Banco Santander und der weniger erfolgsverwöhnten Deutschen Bank deutlich niedergeschlagen. "Ich möchte hier nichts beschönigen", sagte Deutsche-Bank-Chef John Cryan. "Sollte es bei diesem schwachen wirtschaftlichen Umfeld bleiben, müssen wir bei unserem Umbau noch ehrgeiziger werden, als wir ohnehin schon sind." Gerade 20 Millionen Euro verdiente das größte deutsche Geldhaus von April bis Juni.

Die aufreizende Gelassenheit des Monsieur Bonnafé

BNP jedoch erwirtschaftete im gleichen Umfeld und im gleichen Zeitraum einen Gewinn von 2,6 Milliarden Euro, mehr als erwartet. Die Franzosen sind zwar nicht immun gegen die Probleme am Markt - ohne einen Sondergewinn aus dem Verkauf von Aktien des Kreditkartenanbieters Visa läge das Ergebnis bei 2,2 Milliarden Euro. Der Kontrast zum deutschen Rivalen ist trotzdem enorm, der Gewinn 110 Mal höher. Auch bei der Eigenkapitalquote, die Auskunft gibt über die Stabilität eines Instituts, weist BNP mit 11,1 Prozent den besseren Wert auf. Und war die Frage, wer das größte Geldinstitut der Euro-Zone ist, vor einigen Jahren noch offen, ist die Sache heute klar: BNP Paribas hat die Deutsche Bank abgehängt. Nicht nur bei der Bilanz. Mit einem Börsenwert von 53 Milliarden Euro ist das Pariser Traditionshaus kürzlich auch zur wertvollsten Bank der Euro-Zone geworden. Der Wettbewerber vom Main bringt es nur noch auf gut 17 Milliarden Euro.

Als sei das alles nicht genug, erklärt BNP-Boss Bonnafé am Donnerstag mit fast aufreizender Gelassenheit auch noch, wie wenig ihn der Brexit grämt - wo die gesamte Branche doch angeblich den EU-Austritt Großbritanniens fürchtet: Die britische Wirtschaft sorge nur für 2,5 Prozent des BNP-Geschäfts, "wenn davon ein bisschen verloren geht, gleichen wir es aus", sagt Bonnafé. Das Investmentbanking am Standort London hat das Institut sowieso nicht so groß aufgeblasen, dass es jetzt zum Problem würde. Dieses schwankungsanfällige Geschäft steht bei BNP für ein Viertel der Erträge. Bei der Deutschen Bank, die zudem stark auf London ausgerichtet ist, sind es 60 Prozent.

Schwächen hat diie BNP Paribas natürlich auch

"Während sich die Deutsche Bank in einem Jahre dauernden Prozess befindet, das Geschäftsmodell zu vereinfachen, profitiert BNP von einer breiten Diversifikation mit stabilen Erträgen und einer festen Verankerung im Privatkundengeschäft", sagt Bankenexperte Alessandro Roccati von der Ratingagentur Moody's. Nicht nur in Frankreich, auch in Belgien und Italien ist BNP stark, in Deutschland haben die Franzosen dank des Onlinebrokers Consors und der Münchner DAB-Bank auch immerhin 1,5 Millionen Privatkunden. Die Streuung des Risikos offenbart sich auch darin, dass das Eigenkapital gut innerhalb der Bank verteilt ist: Die Sparte für Unternehmensfinanzierung weltweit bindet mit 16 Prozent am meisten davon. Genau in diesem Geschäft hat BNP in Europa und den USA zuletzt zugelegt, während die Deutsche Bank verliert. Bonnafé gibt nun die Losung aus, er wolle aus seiner soliden Position heraus in den nächsten Jahren im Investmentbanking aus dem Mittelfeld ins europäische Spitzentrio vorstoßen.

Angesichts der relativen Stärke, die BNP auszeichnet, fallen die Schwächen weniger auf. Die gibt es natürlich. Der Verkauf der Visa-Aktien kaschiert, dass es dem Geldhaus zumindest auf dem französischen Heimatmarkt genauso ergeht wie der Konkurrenz in Deutschland: Die Minizinsen am Kapitalmarkt beeinträchtigen das Privatkundengeschäft in Frankreich, hier sank der Vorsteuergewinn von BNP um zehn Prozent. An der Börse zeigt sich auch, dass BNP nicht ausgenommen ist vom Vertrauensverlust, den die Branche erlebt. Nur verzeichnet die BNP-Aktie in den vergangenen zwölf Monaten einen weit geringeren Rückgang als die der Deutschen Bank und anderer. Die Investoren vertrauen BNP dank der stabilen Struktur mehr - und das, obwohl das Institut mit der Banca Nazionale del Lavoro (BNL) ausgerechnet im Banken-Krisenland Italien eine große Tochter hat. BNL hat dem Mutterhaus 2015 eine Abschreibung von 900 Millionen Euro eingebrockt. Nach einem Umbau, behauptet BNP, verheiße das Italiengeschäft nur noch Gutes.

Unbescholten sind die Franzosen nicht

Die Deutsche Bank indes muss weniger Italien fürchten als ihre Vorliebe für den riskanten Handel mit Anleihen, Währungen und Rohstoffen, mit dem sie bis heute die schwachen Ergebnisse im deutschen Heimatmarkt auszugleichen sucht. Andere fuhren dieses Geschäft nach der Finanzkrise herunter. Die Deutsche Bank machte munter weiter. In der Folge kassierte sie Milliardenstrafen für unlautere Geschäfte.

Mit so etwas hat auch BNP Erfahrung. Die Franzosen mögen vornehm-reserviert sein, unbescholten sind sie nicht: 2014 mussten sie in den USA eine üppige Geldbuße von neun Milliarden Dollar hinnehmen, weil sie amerikanische Wirtschaftsembargos mit Iran, Kuba und dem Sudan umgangen hatten. Kaum zwei Jahre später hat BNP die Sache abgehakt.

Ausgewogenes Geschäftsmodell, Umgang mit Milliardenbußen: Könnte Bonnafé dem Frankfurter Kollegen Cryan vielleicht ein paar Tipps geben? "Der Chef der Deutschen Bank ist ein sehr erfahrener Mann. Der braucht von niemandem einen Ratschlag", antwortet der BNP-Chef. Und sein Blick sagt: Sonst noch was?

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: