Süddeutsche Zeitung

BMW:Anführer für eine heikle Zeit

Steckt BMW in einer Krise? Nicht einmal die Mitarbeiter im Konzern scheinen das genau zu wissen. Der neue Vorstandschef Oliver Zipse muss jetzt eine klare Richtung vorgeben, um die Münchner im Feld der Premiumhersteller zu halten.

Kommentar von Max Hägler

Wie unübersichtlich die Lage bei BMW ist, das hat der Betriebsrat gerade so treffend wie nur irgend möglich formuliert: Im einen Monat gebe es sogenannte "Gewinnwarnungen", also die Warnung vor zurückgehenden Erlösen, im anderen Monat dann "Rekordzahlen". Auch die Mitarbeiter merken allenthalben, dass gespart werden muss: Reisen und Budgets werden gestrichen. "Sind wir nun der führende Premiumhersteller mit technischem Vorsprung oder befinden wir uns in einer ernsthaften Krise?", fragten die Arbeitnehmervertreter. Und sie fragten danach, wohin man eigentlich marschieren will angesichts des (zu) teuren Produktfeuerwerks aus München.

Dieser gerade für den still und diszipliniert arbeitenden BMW-Konzern ungewöhnlich scharfe Weckruf von Seiten des Betriebsrats zeigt die Herausforderungen im Konzern - und in der Branche. Je nach Blickrichtung und gewähltem Zeitraum ist die Situation mal recht fein - oder im Gegenteil recht trübe. Etliche neue Wettbewerber aus aller Welt - ob Tesla, Alibaba, Google oder Waymo - greifen BMW in hoher Geschwindigkeit an. Die Angriffe der bekannten anderen Hersteller laufen zugleich unvermindert weiter. Aber auch die Kundenwünsche haben sich verändert, die eigene Großkarosse ist nicht mehr überall und für jeden erstrebenswertes Gut. Zudem gibt es strengere Gesetze, die etwa eine Elektroautoquote vorschreiben.

Permanenter Existenzkampf

BMW ist deshalb, wie die anderen deutschen Hersteller auch, mittlerweile in einem permanenten Existenzkampf, so stark die Marke auch ist. Zwei, drei strategische Fehlentscheidungen und schon ist der über 100 Jahre erarbeitete Ruf dahin und die Gewinne auch. Dass nach dem Elektroauto i3 nichts mehr gekommen ist, man die Pioniertat verspielt hat, das ist so eine strategische Fehlentscheidung, die Reputation gekostet hat. Was heute gilt, kann im kommenden Jahr schon wieder anders sein. Je nach Sichtweise und je nach Arbeitsgebiet ist BMW führend - oder auch nicht. Unter Anspannung ist man allemal. Der neue Vorstandschef Oliver Zipse hat nun eine herausfordernde Aufgabe: Er muss eine bestimmte Richtung vorgeben. Und er muss zugleich seinen Leuten klarmachen: Ganz genau lässt sich der Weg nicht planen, anders als vor zehn Jahren noch. Mit der Unsicherheit muss BMW künftig leben, obwohl sich das Unternehmen und seine Mitarbeiter so nach Klarheit sehnen.

Zipses Konkurrent im Kampf um die Spitze Klaus Fröhlich wäre für diese Aufgabe in Zeiten der Selbstfindung kurzfristig wohl der präsentere, unternehmerische Motivator gewesen. Der Entwicklungschef ist so ungeduldig, so sehr mit Gründergeist beseelt, dass sich Mitarbeiter dem kaum entziehen können. Es wäre insofern mutig gewesen und vielversprechend, diesen kreativen Querkopf zum BMW-Chef zu ernennen.

Aber auch der so viel bedachtere Zipse kann der Passende sein: Mit seiner Ruhe und analytischen Stärke die Reise durch die kommenden Jahre anzutreten, das ist ein anderer Weg. Er passt jedoch sehr gut zu BMW, diesem Unternehmen, das so viel Wert auf Contenance legt, auch in Zeiten des andauernden Überlebenskampfes.

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SZ.de vom 19.7.2019/hgn
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