Süddeutsche Zeitung

BMW:Der Chefaufseher und sein langer Schatten

  • An diesem Donnerstag wählt der BMW-Aufsichtsrat einen neuen Vorstandsvorsitzenden.
  • Der alte, Harald Krüger, geht auch deshalb, weil er sich nie freimachen konnte von seinem Vorgänger und BMW-Chefaufseher Norbert Reithofer.
  • Mit einem Ergebnis wird gegen Nachmittag US-Ortszeit gerechnet, also von 20 Uhr deutscher Zeit an.

Von Caspar Busse und Max Hägler

Es gab durchaus Kritik an diesem Maitag vor vier Jahren. In der Olympiahalle in München hatten sich die BMW-Aktionäre versammelt, wichtigster Punkt auf der Tagesordnung: Die Wahl von Norbert Reithofer in den Aufsichtsrat. Der langjährige BMW-Vorstandschef, der an diesem Tag Platz machte für seinen Nachfolger Harald Krüger, wollte direkt auf den Posten des Chefaufsehers wechseln. Eigentlich sieht der Kodex für gute Unternehmensführung ("corporate governance") in solchen Fällen eine Wartezeit von zwei Jahren vor - zum "Abkühlen". Der schnelle Wechsel "geht gar nicht", kritisierte damals Daniela Bergdolt von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Investment-Manager Ingo Speich sagte: "Sie machen es für Herrn Krüger sogar noch schwerer, aus Ihrem Schatten zu treten."

Heute zeigt sich: Die Bedenken waren berechtigt. Wenn an diesem Donnerstag der BMW-Aufsichtsrat bei seinem Treffen in Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina einen neuen Vorstandsvorsitzenden wählen muss, liegt das auch daran, dass sich Krüger nie freimachen konnte von Reithofer. Im Konzern heißt es, die wahre Macht sitze ohnehin im 21. Stock des BMW-Vierzylinders, also dort, wo Reithofer, 63, sein Büro hat. Krüger residiert eine Etage höher. Noch, denn er hatte vorvergangene Woche bekannt gegeben, dass er nicht für eine neue Amtszeit zur Verfügung stehe. Viel Kritik hatte es an seiner zurückhaltenden Art und seiner angeblichen Entscheidungsschwäche gegeben.

Reithofer hatte schon 1987 bei BMW angefangen, von 2006 bis 2015 war er Vorstandsvorsitzender - und prägte das Unternehmen. Er ist mit 640 000 Euro nach Paul Achleitner von der Deutschen Bank einer der bestverdienenden Aufsichtsräte und genießt auch das Vertrauen der Großaktionäre Stefan Quandt und Susanne Klatten. Mit deren Stimmen war er 2015 auch ohne Übergangsfrist in den Aufsichtsrat gewählt worden. Das ist - gegen die Regelung des Corporate-Governance-Kodexes - möglich, wenn mindestens 25 Prozent des Kapitals dafür sind. Quandt und Klatten haben etwa 47 Prozent der Anteile.

Reithofer ist kein Einzelfall: Auch Hans Dieter Pötsch wechselte 2015 bei Volkswagen ohne Wartezeit vom Vorstand in den Aufsichtsrat. Auch dort musste damals der Vorstandsvorsitzende Matthias Müller nach nur drei Jahren wieder gehen. Die überwiegende Zahl der deutschen Dax-Unternehmen hält sich dagegen an die Zwei-Jahre-Abkühlfrist, so waren Wolfgang Reitzle (Linde), Michael Diekmann (Allianz) oder Nikolaus von Bomhard (Munich Re) zwei Jahre aus dem Geschäft, bevor sie Chefaufseher wurden. Experten halten das auch durchaus für sinnvoll. Es sei wichtig für die freie Entfaltung des neuen Vorstandsvorsitzenden, sagt Christoph Kaserer, BWL-Professor an der TU München. Er plädiert auch dafür, dass Manager auch von anderen Unternehmen geholt werden sollen: "Es ist immer gut, wenn in großen Organisationen ab und zu Entscheidungsträger von außen kommen." Denn die hätten einen "neuen Blick auf die Dinge".

Mit einem Ergebnis wird gegen Nachmittag US-Ortszeit gerechnet

Das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden ist inzwischen ohnehin ein Fulltime-Job. "Schon heute fragen Investoren an, um strategische Themen auch mit mir zu besprechen", erzählte Reithofer im vergangenen Jahr. Man bekomme auch "mehr Vorlagen auf den Tisch als früher". In der angelsächsischen Welt heißt der Aufsichtsratschef sowieso "Chairman", und der hat auch mehr Macht als hierzulande.

Nun muss also Chefaufseher Reithofer einen neuen Konzernchef finden. Ob der künftig mehr Freiheiten hat? Vorgesehen ist, dass der Personalausschuss, zu dem neben Reithofer und Großaktionär Stefan Quandt der Ex-Merck-Chef Karl-Ludwig Kley sowie die beiden Arbeitnehmervertreter Manfred Schoch und Stefan Schmid gehören, eine Empfehlung ausspricht. Mit dieser gehen sie in die Debatte mit allen 20 Aufsichtsräten. Bei BMW erinnern sie dieser Tage immer wieder daran, wie das bei der letzten großen Krise lief, dem Debakel nach dem Kauf des britischen Autobauers Rover: 1999 musste Bernd Pischetsrieder gehen, als Nachfolger gesetzt war Vorstand Wolfgang Reitzle. Doch der ging dann auch und am Ende des Tages saß Joachim Milberg auf dem Chefposten. Mit einem Ergebnis wird diesmal gegen Nachmittag US-Ortszeit gerechnet, also von 20 Uhr deutscher Zeit an.

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SZ vom 18.07.2019/vit
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