Süddeutsche Zeitung

BMW und Sixt:Verlöschende Liebe

Der Autobauer und die Leihwagenfirma waren mal dicke Freunde. Aber die neue Mobilität verändert das Verhältnis der beiden.

Von Michael Kuntz

Es war an einem Sommerabend im Jahr 2011: Im repräsentativen BMW Pavillon am Lenbachplatz in München hatten der Autohersteller und der Autovermieter Sixt zur Party geladen. Der Anlass war die Geburt ihrer gemeinsamen Carsharing-Tochter Drivenow. Teilnehmern blieb die bunte Show zwischen den üppig motorisierten Exponaten vor allem in Erinnerung, weil man sich einen Elektronik-Chip auf den Plastik-Führerschein kleben lassen konnte, der damit zur Eintrittskarte in die neue Welt des Autoteilens wurde. Damals ein absolutes Muss. Den Chip fanden Polizisten und Politessen zunächst eher merkwürdig, und inzwischen wurde er abgelöst durch eine vergleichsweise banale Kundenkarte, die ungefähr so sexy aussieht wie die Kreditkarte der Raiffeisenbank Straubing.

Was nicht alle an diesem feuchtfröhlichen Abend im BMW-Pavillon ahnten: Sie waren Augenzeuge nicht nur der Geburt einer Firma, sondern auch eines disruptiven Geschäftsmodells, lange bevor dieser Begriff weltweit in Mode kam. Disruptiv ist ein Geschäftsmodell, wenn es alles Vorhandene infrage stellt, wenn es nicht reformieren, sondern revolutionieren will - so wie der Fahrdienst Uber, bei dem die Fahrer ihre Privatautos nutzen, das Taxi-Gewerbe angreift.

Nun also stellte ein Autobauer nicht nur Fahrzeuge her, sondern ermöglichte deren minutenweise Nutzung auch Menschen, die sich den Kauf der kostbaren Premium-Modelle nicht leisten können. Und der Autovermieter Sixt machte gemeinsame Sache mit einem Produzenten, mit dem er bis dato um hohe Rabatte für Neuwagen und möglichst günstige Konditionen ein paar Monate später bei deren Entsorgung aus der Sixt-Flotte gefeilscht hatte.

Mobilitätsdienstleister, das wollten sie nun beide sein: der im Weltmaßstab mittelgroße Autohersteller und Deutschlands größter Fahrzeugvermieter. Anfangs arbeiteten sie eng zusammen, später zeigte es sich, dass die Überlappung der Geschäftsfelder aus den Partnern auch Konkurrenten macht. So war der nicht sonderlich erfolgreiche Versuch von BMW, Elektromobile in Kalifornien zu verleihen, noch in die Homepage von Drivenow integriert. Man konnte also schon mal im Café an der Münchner Leopoldstraße ein Auto für die Spritztour über die Market Street in San Francisco reservieren - was vor allem Lacher auslöste.

Womit BMW in Kalifornien scheiterte, das soll nun in Seattle gelingen. In der US-Metropole startete der Autokonzern nach dem Vorbild von Drivenow im April mit zunächst 370 Fahrzeugen der Marken BMW und Mini das Unternehmen "Reachnow". Die Homepage sieht aus wie die von Drivenow, das Projekt findet aber ohne Sixt statt, obwohl der gerade die USA mit eigenen Vermietstationen überzieht. BMW-Vorstand Peter Schwarzenbauer gerät ins Schwärmen, wenn er ausmalt, was er dort alles in den nächsten drei bis fünf Jahren, also bis zu seiner Pensionierung, noch alles schaffen will: Carsharing mit eigenen Autos, die gebracht und abgeholt werden, am besten noch ein Fahrerservice besser als Uber, nichts scheint unmöglich.

Drivenow, also die Partnerschaft von BMW und Sixt, wird nun zu einer rein europäischen Veranstaltung. Hier muss man sich sein Auto derzeit noch selber suchen und abholen; Chauffeur-Dienste bietet Sixt schließlich selber an. Und es gibt auch eine Höchstmietdauer von 48 Stunden beim Carsharing; schließlich betreibt Sixt ja auch noch eine Autovermietung für den tagelangen Bedarf.

Die Begeisterung der Partner BMW und Sixt füreinander scheint nicht mehr so groß zu sein. Der zu deutlichen Formulierungen neigende Erich Sixt spottet über die Ingenieure der Autohersteller: Sie könnten zwar tolle Fahrzeuge entwickeln, verstünden aber nicht so viel von kundennahen Dienstleistungen. Das könne Sixt eben besser.

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Quelle:
SZ vom 07.07.2016
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