Deutsche Autoindustrie:Eine Zukunft gibt es nur noch gemeinsam

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Inzwischen zumindest geschäftlich ziemlich beste Freunde: Daimler-Chef Dieter Zetsche und BMW-Vorstand Harald Krüger. (Foto: dpa)

Wenn die Vorstandschefs von Daimler und BMW ihre Egos beiseite schieben und sich zusammentun, zeigt das die Not, in der die deutschen Autohersteller stecken. Wollen sie überleben, müssen sie sich radikal verändern.

Kommentar von Max Hägler

Was derzeit in der deutschen Autoindustrie passiert, ist ungefähr so, als würde der FC Bayern mit Borussia Dortmund Spieler gemeinsam kaufen, um gegen die Marktmacht von Liverpool oder Chelsea bestehen zu können. Was im Fußball nur Gedankenspiel sein kann, üben BMW und Daimler tatsächlich. Zwei stolze Firmen, über Jahrzehnte im heftigen Wettstreit, schließen sich zusammen, um eine Chance zu wahren im Kampf gegen noch mächtigere Dritte: bei Robotertechniken, bei Fahrdiensten und bald auch bei E-Autos.

Wenn die Vorstandsmänner dieser Rivalen nun ihre Egos zurückstellen und Seit' an Seit' auftreten wie jüngst beim Autosalon in Genf, dann zeigt das einen historischen Umbruch an. Das Zusammenstehen in der drohenden Not ist zugleich eine gute Nachricht - für Arbeitnehmer und Kunden in Deutschland und Europa. Die Kooperation erhöht die Aussicht, dass diese Branche auch noch in zehn Jahren für Jobs, Steuereinnahmen und verlässliche Produkte sorgt. Sicher ist das nicht.

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BMW und Daimler waren sich nicht gerade freundschaftlich verbunden. Jetzt wollen sie gemeinsam die Mobilität von morgen gestalten - zu groß ist die Konkurrenz in den USA und China.

Von Max Hägler

Der Automobilbau steht vor einer Revolution, wie man sie bei der Kommunikation schon bestaunt hat - aus Wählscheibenapparaten und Computern wurden binnen weniger Jahre Foto-Chat-Telefoniergeräte. Die Europäer haben dabei nichts mehr zu melden. Die Mobilität ändert sich nun ebenso rasant. Von fahrenden Smartphones ist die Rede, irgendwann werden Roboter-Taxis durch unsere Städte kreuzen.

VW tut sich mit Ford zusammen

Die Welt wird dann eine andere sein, die heutigen Autokonzerne werden mit anderen Ideen ihr Geld verdienen müssen, und vielleicht sind es auch ganz andere Firmen, die an ihre Stelle treten, keine Firmen mehr aus Deutschland und Europa. Ein Autohersteller muss heute nach Expertenschätzungen 70 Milliarden Euro investieren, um die selbstfahrenden Elektroautos entwickeln und bauen zu können, die es künftig braucht. Das ist nicht zu stemmen für einen allein. Selbst das größte Industrieunternehmen Europas, Volkswagen, tut sich deshalb gerade mit Ford zusammen. Das mag für Unsicherheit sorgen bei Mitarbeitern, vielleicht verwischt es auch ein wenig die jeweilige Markenidentität.

Und doch sind solche Kooperationen nötig. Denn die Herausforderer sind mächtig. Es sind Leute wie Elon Musk, der mit seiner Firma Tesla flinker agiert und geschickter ist im Einsammeln von Geld. Und vor allem sind es Softwarefirmen aus den USA und aus Asien, Google oder Baidu etwa, mit viel mehr Kapital als deutsche Unternehmen und einem Stamm von Hunderten Millionen Kunden. Zum Vergleich: Weltweit werden pro Jahr 85 Millionen Autos gebaut, jeweils etwa zwei Millionen davon von BMW und Daimler.

Insofern hat Daimler-Chef Dieter Zetsche recht, wenn er sagt: "Es ist kein Naturgesetz, dass Daimler ewig besteht." So ein Satz soll stets den Weg für Sparmaßnahmen bereiten, auch jetzt. Aber es geht nicht mehr um schnöde Gewinnmaximierung wie früher. Im Gegenteil, die Gewinne könnten bald gefährlich sinken, weil die Entwicklungskosten so hoch sind. Dazu kommt, dass Elektroautos wegen der teuren Batterien für manche ein Draufzahlgeschäft werden könnten - und die Nachfrage der Kunden ungewiss ist.

Sparen wird nicht reichen

Um die Herausforderungen zu bewältigen, wird Sparen, Investieren und Zusammenarbeit den Firmen aber nicht reichen. Politik und Behörden müssen das flankieren - auch wenn das nach illegalen Absprachen und Kartellverstößen klingt, zumal die Konzerne jetzt noch Milliardenergebnisse einfahren. Die mitunter skandalöse Vergangenheit, in der sich Automanager zusammentaten, um beispielsweise für das Aufweichen von Abgasregeln zu kämpfen, darf nicht den Blick für die Zukunft verstellen. Es droht der Verlust von Jobs in Europa und eine noch größere Abhängigkeit von amerikanischen und asiatischen Produkten und Dienstleistungen.

Um diese Szenarien zu erkennen, müssen die "Runden Tische" zur Lage der Autoindustrie, welche die Regierungen in München und Stuttgart etabliert haben, regelmäßig und im ganzen Land stattfinden. Nur so kann die Politik rasch steuern - etwa bei der Forschungsförderung, bei Lehrplänen, bei der Verkehrsgesetzgebung oder bei Zulassungsregeln für Roboterfunktionen. Ähnliches gilt für die EU. Wenn Frankreich und Deutschland über Beihilfen für die Fertigung von E-Auto-Batterien sprechen, dann ist das zwar ein Markteingriff, aber ein richtiger. Denn auch in China und den USA fördert der Staat solche Zusammenarbeit.

Schließlich bedarf es eines zeitgemäßen Kartellrechts, das den Monopolbegriff im weltweiten Maßstab versteht. Ein Veto gegen Partnerschaften wie jüngst beim Eisenbahnbau, wo Siemens und Alstom zusammenarbeiten wollten, darf es beim Autobau nicht geben. Denn eigentlich, um den Fußball wieder aufzugreifen, spielt der Gegner der Deutschen gar nicht mehr auf einem Platz in Europa. Und er ist viel stärker als der britische Sturm im Fußball.

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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